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Cat Person: "Hey Kristen, da passiert was mit deiner Story!"

Kristen Roupenian veröffentlichte im Jahr 2017 im renommierten Magazin New Yorker eine Short Story namens "Cat Person". Erst passierte: wenig. Dann: alles. Ein Blick auf einen viralen Karriere-Start, wie man ihn in der Literaturwelt selten erlebt. Und der nun auch den Weg ins Kino findet: Susanna Fogel hat aus der Kurzgeschichte einen herausfordernden Film gemacht, der bei uns am 16. November startet.

23. Oktober 2023

Es ist der 4. Dezember 2017. Die Website des Magazins New Yorker schaltet die Short Story des aktuellen Hefts online. Sie stammt von der da noch recht unbekannten Autorin Kristen Roupenian, heißt "Cat Person" und ist die Chronik einer sehr unglücklich verlaufenden, toxischen Affäre. Sie beginnt mit den Worten: "Margot met Robert on a Wednesday night toward the end of her fall semester." Sie endet mit den Worten: "‚Answer me‘. ‚Whore.‘" Man kann die Story im Englischen noch immer online lesen – sie hat über 4,5 Millionen Views und ist offiziell das meistgelesene literarische Stück auf der New-Yorker-Website.

Kristen Roupenian lebte zu der Zeit gerade in Ann Arbor in Michigan, wo sie ein Schreibstipendium bekommen hatte. Eine Veröffentlichung im New Yorker ist zwar allein schon, wenn sie zustande kommt, ein großer Schritt, trotzdem passierte erst einmal nicht viel. Der britischen Zeitung The Guardian erzählte die damals 37jährige Autorin wenig später: "Ich dachte mir in den drei oder vier sehr ruhigen Tagen nach der Veröffentlichung: ‚Wow, das war das Großartigste, was mir im Leben passiert ist – und nun ist es schon wieder vorbei. Dann kam der Freitag."

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Ab besagtem Freitag wurde "Cat Person" zum viralen Hit. Geschrieben kurz vor dem Aufkommen der #MeToo-Bewegung, aber veröffentlicht inmitten ihrer Auswirkungen, traf die Story einen Nerv. Viele Frauen erinnerten sich an ähnliche Begegnungen. Die Twitter-Chauvis und Antifeministen zeterten, die Story sei Teil einer "männerhassenden Agenda". "Cat Person" wurde in diesen und in den Tagen darauf millionenfach geteilt, kommentiert, parodiert, diskutiert. Kristen Roupenian, die ungern zu viel Zeit online verbringt, bekam davon zunächst trotzdem wenig mit. Es war ihre Freundin Callie, die ihr schrieb: "Da passiert was mit deiner Story."

Der virale Hit und die Diskussionen, die "Cat Person" auslöste – über Männlichkeit, #MeToo, die toxische Dating-Kultur, ungesunde Altersunterschiede, Stalking, Misogynie – hatten massive Auswirkungen auf das Leben und die Karriere von Kristen Roupenian. Nicht unbedingt nur im Guten. Für ihre Karriere war es fantastisch: Sie bekam angeblich einen Verlagsvorschuss von 1,2 Millionen Dollar für ihr Kurzgeschichten-Sammlung, die erst "You Know You Want This" hieß, und am Ende natürlich in vielen Ländern den Titel "Cat Person" bekam. Angeblich werde daraus eine Serie von HBO gemacht, die sich schnell die Rechte daran sicherten. Auch die Filmrechte der Short Story "Cat Person" waren schnell verkauft, aber dazu später mehr. 2018 verkaufte Kristen Roupenian dann einen Drehbuchentwurf an die Produktionsfirma A24 für eine Horrorkomödie namens Bodies, Bodies, Bodies. Dieser wurde später von Sarah DeLappe noch einmal massiv umgeschrieben – was ebenfalls erstaunlich gehässig kommentiert wurde, obwohl das eine nicht ungewöhnliche Praxis ist und Roupenian noch immer unter "Story by" gelistet ist.

Emilia Jones als Margot und Nicholas Braun als Robert in einer der schmerzhaft anzusehenden Kuss-Szenen in der Verfilmung von "Cat Person". © Studiocanal GmbH

Emilia Jones als Margot und Nicholas Braun als Robert in einer der schmerzhaft anzusehenden Kuss-Szenen in der Verfilmung von "Cat Person". © Studiocanal GmbH

Kristen Roupenian hatte also mit einem Backlash zu kämpfen. Viele Kritiken der Short-Story-Sammlung waren eher mittelmäßig, einige fast bösartig. Dabei sind die übrigen Geschichten ähnlich pointiert, klar erzählt, bisweilen angenehm böse, im Grundton leise, aber oft an Wunden kratzend, mit denen sich vor allem Frauen zwischen 20 und 40 identifizieren können. Trotzdem maulte so mancher Feuilleton-Dude, sie schreibe naiv und gefühlig. Roupenian hatte ebenfalls damit zu kämpfen, dass sie auf einmal im Mittelpunkt einer Diskussion über heterosexuelles Dating stand – da aber gerade mit einer Frau zusammengekommen war. Diese Freundin Callie war nämlich nicht nur EINE Freundin, sondern ihre Lebenspartnerin. "Die eher private New England-Seele in mir, hatte mit dieser erzwungenen Öffentlichkeit zu kämpfen", erzählte Roupenian dem Guardian. "Es gibt Dinge über dich, die plötzlich interpretiert werden, und das fühlt sich seltsam an." Es habe sie erschrocken, dass man jetzt ihr Leben und auch ihre Beziehung googlen könne, wo sie doch so lange nur sehr ausgewählt Spuren im Netz hinterlassen habe.

Ein weiterer Schauplatz von "Cat Person" wurde die Diskussion darüber, ob die Short Story wirklich reine Fiktion sei. Roupenian hat das immer verneint. Die Story sei zwar persönlich, aber nicht autobiografisch. Bis die Journalistin und Autorin Alexis Nowicki, die Roupenian bekannt ist, in einem Artikel für das Magazin Slate offenlegte, dass sie ihren Studentinnen-Job, ihre Lebenssituation und auch ihre Beziehung in den Details der Story erkenne. Bis auf einen entscheidenden Punkt: Ihr inzwischen verstorbener Charles, dem der Robert aus "Cat Person" nachempfunden schiene, sei gar nicht so ein toxisches Arschloch gewesen.

Inzwischen scheint Kristen Roupenian sich aber ganz gut justiert zu haben. Sie lebt in New York schreibt diverse Kolumnen, u. a. für die Süddeutsche Zeitung und arbeitet an neuen Geschichten. Schon bald wird man wieder vermehrt über "Cat Person" diskutieren, wenn nämlich Susanna Fogels angriffslustige Verfilmung in die Kinos kommt. Darüber wird es hier bald noch mehr zu lesen geben, aber so viel sei schon einmal gesagt: Wir freuen uns schon jetzt über die Diskussion, die dieser knallige Film mit Emilia Jones als Margot und Nicholas Braun als Robert auslösen wird.

DK

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