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Der Star aus Past Lives: Auf einen Tee mit Yoo Teo

Der gebürtige Kölner Yoo Teo spricht bei einem Besuch in der Domstadt über seine Schauspielkarriere und den emotionalen Bezug zu Celine Songs Debütfilm Past Lives – In einem anderen Leben.

05. November 2023

Past Lives – In einem anderen Leben war nicht von ungefähr der Film des Jahres 2023, der von Publikum und Filmkritik durchgehend am besten bewertet wurde. Die melancholische Neuinterpretation des RomCom-Genres durch die Regisseurin Celine Song ist nicht nur eine besondere Geschichte von Freundschaft und Liebe, sondern erzählt auch das Schicksal einer Migrantin und eines Zusammenpralls verschiedener Welten in der Diaspora. Die Schulfreund*innen Na-young und Hae-sung werden im Alter von etwa 12 Jahren getrennt, als Na-youngs Eltern von Südkorea nach Kanada auswandern – aus dem Mädchen mit dem typisch koreanischen Namen wird dort Nora. Das jähe Ende einer innigen Beziehung? Ein weiteres Dutzend Jahre später finden sich die beiden auf Facebook wieder, stundenlang chatten sie miteinander, und man fragt sich schon: Warum treffen sie sich nicht einfach? Nun, ihre ehrgeizigen persönlichen Pläne verhindern ein persönliches Wiedersehen. Nora etwa verfolgt ihre Laufbahn als Schriftstellerin, heiratet einen amerikanischen Autor und zieht mit ihm nach New York. Doch es kommt der Moment, an dem die Sehnsucht sich zurückmeldet. Über der Handlung von Songs autobiografisch gefärbtem Debüt – die Eltern der Regisseurin sind ebenfalls aus Südkorea nach Toronto emigriert – steht das koreanische Konzept In-Yun. Was soviel wie Schicksal bedeutet, und dass es Menschen gibt, die füreinander geschaffen sind. Es ist eine Mixtur aus buddhistischem Glauben und alltäglicher Überzeugung, weiß Yoo Teo, der auch über Schamanismus viel erzählen könnte.

Hae-sung und Nora: Schicksalhafte Reunion © Studiocanal

Hae-sung und Nora: Schicksalhafte Reunion © Studiocanal

Der Schauspieler, der zuletzt auch in Park Chan-wooks Noir-Thriller Die Frau im Nebel zu sehen war, spielt den erwachsenen Hae-sung, der schließlich eines Tages nach New York aufbricht, um Nora und ihren Gatten zu besuchen. Er weiß selbst, wie es ist, in die so genannte große weite Welt aufzubrechen. Yoo Teo ist in Köln geboren und aufgewachsen. Und auch wenn er längst in Seoul lebt, sitzt er jetzt mit dem ARTHAUS-Redakteur in einem Café im Kölner Eigelsteinviertel und trinkt Pfefferminztee. Das 12th Korean Film Festival in Frankfurt zeigt Past Lives und hatte Yoo Teo eingeladen, also nutzt er die Gelegenheit zum Besuch der Eltern und für ein paar Pressetermine. Dabei wirkt er trotz seiner außerordentlich charismatischen Erscheinung – ganz in Schwarz gewandet – so bescheiden und bodenständig, wie man es sich nur vorstellen kann. Er möchte gleich wissen, welche Filme, die beim just zu Ende gegangenen Film Festival Cologne gezeigt wurden, empfehlenswert seien und berichtet, dass er gerne den Artist Talk mit Xavier Dolan gesehen hätte. Mehr noch: Yoo Teo, der auf Instagram 490.000 Follower hat, hatte sich dem Festival im Vorfeld per Email als Volunteer angeboten. "Ich dachte, das wäre eine gute Idee!" Die Nachricht muss wohl untergangen sein, was wäre das für ein Spektakel gewesen! Yoos uneitle Bewerbung als freiwillige Hilfskraft trifft sich übrigens mit der Einschätzung seines Berufs. Wenn man sich das ganze Filmbrimborium und den Starrummel wegdenke, bleibe eben die Rolle des Narren, der umherziehe und performe, um die Menschen zu unterhalten.

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Es hatte nicht so viel darauf hingedeutet, dass Yoo Teo Schauspieler werden würde. Seine Eltern gehören zur ersten Generation der "Gastarbeiter*innen" aus Südkorea, die in Deutschland vor allem in der Pflege und im Bergbau arbeiteten. Yoo Teo war als Jugendlicher ein herausragend guter Sportler, wurde auch während mehrerer Aufenthalte in Südkorea in seinen Ambitionen in Sachen Basketball gefördert. Doch der Körper spielte nicht mit, das Knie streikte. Statt Sport zu studieren wie zunächst geplant, ging Yoo Teo abenteuerlustig nach New York. Was die Eltern davon hielten? Mit ihnen hatte er eine Auszeit von einem Jahr vereinbart, von der er drei Monate mit einem Crashkurs Schauspielerei auf dem Lee Strasberg Theater & Film Institute verbringen wollte. Yoo Teos für die koreanische Erziehung nicht untypischer Fleiß und Ehrgeiz brachten ihn dazu, wirklich alle Kurse zu belegen, die man in dieser Zeit absolvieren konnte. Es klingt nach einem Wechselbad der Gefühle, wenn Yoo Teo sich erinnert, dass er zunächst dachte, auf der Bühne "verrückt zu werden". Hier konnte er sich vollkommen anders ausleben als im Sport, wo er einfach tat, was der Coach ihm aufgetragen hatte. Auch konnte er sich besser fokussieren. Yoo Teo hinterließ Eindruck bei seinem Bemühen, sich auszudrücken. Die Leiterin der Schule nahm ihn eines Tages beiseite und fragte ihn, ob er nicht mal drüber nachdenken wolle, die Ausbildung über die drei Monate hinaus weiterzuverfolgen, anstatt den Rest des Jahres zu jobben und dann nach Deutschland zurückzukehren. "Da habe ich mir erstmal vorgestellt, ob ich so leben könnte. Wenn ich pleite bin auf der Straße oder als Clown vor Kindern im Park auftreten. Vielleicht als Marionettenspieler. Wenn ich Castings für kleine Rollen machen muss. Könnte ich trotzdem noch glücklich sein, obwohl ich Arbeitslosengeld beantragen muss? Wenn ich vielleicht noch mit 70 Jahren auf mich allein gestellt bin? Ja, habe ich mir dann gesagt, Schauspieler zu werden – das ist meine Bestimmung."

Schauspieler – das ist meine Bestimmung!

Past Lives wiederum scheint der Film zu sein, der auf ihn gewartet hat. Seine Intuition hat ihn nicht getäuscht. Es mag ein paar Jährchen gedauert haben, bis sich der ganz große Erfolg einstellte, doch gab es wichtige landmarks wie die Rolle von Klaus Kim in Benson Lees Seoul Searching – und irgendwie hat diese schicksalhafte Begegnung von Yoo Teo mit der Figur Hae-sung selbst den Charakter von In-Yun. Celine Songs Film sprach Yoo Teo sogleich an, berührt die Geschichte doch mehrere Aspekte seines eigenen Lebens. Nicht nur auf einer faktischen, auch auf einer emotionalen Ebene. "Nachdem ich das Skript zu ›Past Lives‹ gelesen hatte, dachte ich mir: Das ist ein romantisches Melodrama und sehr schön geschrieben! Und habe mir eine Träne abgewischt. Es ist selten, dass einen ein Drehbuch so bewegt. Da habe ich schon gehofft, dass ich diese Rolle bekomme, weil ich in dem Moment genau wusste, dass ich seit meiner Jugend und meiner Kindheit eine gewisse Melancholie empfinde und durch die Geschichte plötzlich wusste, wie ich sie zeigen könnte. Darauf habe ich immer gewartet." Wenn es auch nicht viel Handlung im Sinne einer spektakulären Entwicklung der Ereignisse gibt, so rührt die Tiefe in Past Lives, von der sich so viele Menschen im Publikum angesprochen fühlen, doch von der inneren Einstellung seiner Protagonisten her. Neben Yoo Teo spielt auch Greta Lee als Nora jene an der Wirklichkeit geschulte Härte und Sensibilität, die nötig sind, um das komplette Spektrum der Gefühle mit einem Hauch Utopie dazwischen aufscheinen zu lassen. Unter der einfühlsamen Regie von Celine Song, die am Set viele konstruktive Gespräche mit den Schauspieler*innen geführt habe, so Yoo Teo.

Damals in Seoul: Ein Bild aus Kindertagen © Studiocanal

Damals in Seoul: Ein Bild aus Kindertagen © Studiocanal

Der Pfefferminztee neigt sich dem Ende zu, und der optimistische Melancholiker Yoo Teo möchte noch einen Spaziergang über die "Ringe" in der alten Heimat machen. Und auch das passt zu der Symbiose aus Eigenwilligkeit und Geselligkeit, die er auf den ersten, zweiten und dritten Eindruck vermittelt. Wenn er in Korea gecastet wird, dann übrigens nie als tpyischer Koreaner – stets als derjenige mit dem gewissen Etwas. Eine Tatsache, die seine Eltern durchaus mit Stolz erfüllt. Nach dem Besuch des 12th Korean Film Festival Frankfurt wird Yoo Teo nach Hause jetten, er lebt mit seiner Ehefrau in einem Haus im Seouler Stadtteil Incheon. Bald darauf geht es für ihn schon weiter nach Los Angeles. "Arbeiten", sagt Yoo Teo mit einem Lächeln. Über die Schauspielerei hinaus interessiert er sich schon seit geraumer Zeit fürs Schreiben und schließt mehr Zeit auf dem Regiestuhl nicht aus. Ein Projekt, das er momentan vorantreibt: eine Serie, die sich mit den Geschichten von koreanischen Migrant*innen befasst. Biografien, die auch in Deutschland zu selten erzählt werden, selbst wenn K-Pop, Filme und sogar Soaps dazu beigetragen haben, hier einen gewissen Korea-Hype zu erzeugen, der dazu führt, dass man im koreanisch geführten Asia Shop in der Nähe des Kölner Eigelsteinviertels nicht mehr staunend angeschaut wird, wenn man sich nach den Fischen erkundigt, die man zur Zubereitung einer Yuksu benötigt. Yoo Teo kennt die verschiedenen Welten, die in solchen Augenblicken aufeinanderprallen und er kennt die Situation, in beiden zu leben. Für sein Leben hat er sich eine weitere Welt gewählt und sich darin selbst gefunden: in Figuren wie Hae-sung, der seinem Herzen folgt und der Realität diesen Mut entgegensetzt, den es braucht, wenn man aus seiner persönlichen comfort zone ausbricht – oder Verhältnisse hinter sich lässt, die einem unbehaglich vorkommen. Es ist die Welt des Films, in der wir noch viel von ihm hören werden. Aber auch als Clown oder Marionettenspieler im Park wäre Yoo Teo ein Ereignis … und man glaubt auch sofort, dass er genau so glücklich wäre wie als Superstar.

WF

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