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Bild zu Die ersten 20 Minuten von Grüne Tomaten (und was wir darin über Rezepte für ein besseres Leben lernen)

Die ersten 20 Minuten von Grüne Tomaten (und was wir darin über Rezepte für ein besseres Leben lernen)

Der ARTHAUS-Liveticker schaut sich Meisterwerke ganz genau an. Diesmal den Sonntagsfilm aller Sonntagsfilme von Jon Avnet. Ideal für die Zeit zwischen den Jahren, wenn jeder Tag ein Sonntag ist.

26. Dezember 2023

1. Minute

Manche kennen vielleicht den Witz aus dem Schulbuch für den Englischunterricht. "Not water in motor, motor in the water, Darling". Sprich: "Der Wagen liegt im See, Liebling!" Und mit einem Auto, das aus dem Wasser gefischt wird, beginnt auch dieser wunderbare Sonntagsfilm aus dem Lehrbuch.

2. Minute

Kathy Bates. Mary Stuart Masterson. Mary-Louise Parker. Jessica Tandy. Allein der Teil des Ensembles, dessen klangvolle Namen jetzt im Bild zu sehen sind … Wir hängen schon am Haken – genau wie der versunkene Laster.

3. Minute

Diesen Effekt, wenn man von oben beim Fahren auf eine Schiene guckt, den Geoffrey Simpsons Kamera hier so schön einfängt, darf man wohl auch metaphorisch zu verstehen. In der Bewegung, die vorwärts und rückwärts gleichzeitig abzulaufen scheint, stecken ganze Zeitläufte. Und der Zug führt uns an ihnen entlang und tief in ihre Dramen und Geheimnisse hinein.

4. Minute

Wie sehnsüchtig kann man einen Schokoladenriegel anknabbern? Kein Wunder, bei so einem tumben und fiesen Ehemann. Ed beweist, dass Mansplaining keine Erfindung des 21. Jahrhunderts ist. Ach, Evelyn, wir gönnen dir dein süßes Empowerment-Surrogat … (Ed hat nicht mal den Zug gehört, er kriegt einfach gar nichts mit von dem, was wichtig ist.)

5. Minute

Und Eds Tante – was für eine Zicke! Immerhin wird Evelyn Couch durch ihre "einladende Art" Ninny Threadgoode kennenlernen.

Idgie und Ruth © Studiocanal

Idgie und Ruth © Studiocanal

6. Minute

Jetzt kommt es zur schicksalhaften Begegnung. Das wir wissen wir aber natürlich vorher schon, weil wir Grüne Tomaten alle bereits hundert Mal gesehen haben. Mindestens. Und was für ein Auftritt von Ninny, eine Begrüßung für die Ewigkeit: "Wissen Sie, dass die mir die Gallenblase rausgenommen haben?"

7. Minute

"Sagt der Namen Idgie Threadgoode Ihnen etwas?" Uns schon, liebe Ninny, Evelyn in dem Moment noch nicht. Aber die folgende Geschichte sollte uns allen zu bedenken geben: Wenn eine ältere Dame anfängt eine Geschichte zu erzählen, kann das wesentlich packender sein als das eigene Leben. Spielt es eine Rolle, ob die Geschichte erfunden ist oder nicht?

8. Minute

"Wenn Sie vielleicht etwas Zeit haben, erzähle ich Ihnen alles darüber!" Ja, Ninny, bitte! Wir haben es uns auf dem Sofa gemütlich gemacht. Was war jetzt noch mal mit dem Auto im See? Und seinem Geheimnis?

9. Minute

Die Geschichte führt uns also zurück. Der Zug der Zeit rast in die Epoche zwischen den Weltkriegen. Und mitten hinein in die zutiefst von der rassistischen Tradition der Sklavenhaltung geprägte Gesellschaft in Alabama. Wo die Schwarzen im Haus die Bediensteten sind und die Weißen bloß Luxusprobleme haben. Das gilt für Idgies ältere Schwester, die sich ihre Heirat nicht vom Nesthäkchen und Enfant terrible vermiesen lassen will.

10. Minute

Idgie wiederum hat schon als "kleines Mädchen" ein nachvollziehbares Problem mit Genderzuschreibungen (auch keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, nur nebenbei gesagt). Regisseur Jon Avnet fasst das wunderbar zusammen: Die Prügelszene, die Flucht aufs Baumhaus, das Abstreifen des weißen Sonntagskleids. Sonntagskleid: Nein: Sonntagsfilm: Ja!

Idgie und Big George © Studiocanal

Idgie und Big George © Studiocanal

11. Minute

Haben Sie auch schon jemanden mit der Geschichte von der Auster und dem Sandkorn getröstet, so wie Idgies älterer Bruder Buddy seine Schwester oben im Baumhaus?

12. Minute

"Ich glaube nicht, dass es je einen Jungen gegeben hat, der so bezaubernd sein konnte wie Buddy Threadgoode." Wir auch nicht, Ninny! Sogar für die Braut hat er nette Worte übrig.

13. Minute

"Aber sein Herz gehörte Ruth Jamison". Und da ist sie: Ruth. Reimt sich im Englischen so schön auf die Wahrheit. Truth.

14. Minute

Buddy und Ruth küssen sich unter dem roten Sonnenschirm. Der Wind weht Ruth‘ Hut auf die Gleise. Moment mal, die Gleise, da war doch was. Wir denken: Wenn jetzt der Zug käme (und wir erinnern uns auch an die berühmte Szene aus Stand By Me – Die Geschichte eine Sommers). Aber wir wissen ja, was kommt. Der Zug kommt – und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

15. Minute

Das ist die Szene, bei der wir uns immer die Hände vor die Augen halten. Aber wir hören sie rufen: "Buddyyyyy …!"

Evelyn in Zellophan gewickelt © Studiocanal

Evelyn in Zellophan gewickelt © Studiocanal

16. Minute

"Niemand nahm es so schwer wie Idgie". Da irrst du dich, Ninny. Du kannst es nicht wissen, aber uns trifft es auch hart. Jedes Mal, wenn wir bei Buddys Beerdigung heulen.

17. Minute

Danke, Big George! Er passt auf Idgie auf, während sie laut Ninny allmählich feststellt, dass auch ein gebrochenes Herz weiter schlägt.

18. Minute

Zellophan ist auch keine Lösung. Evelyns Vorstellung ist ein bildhaftes Beispiel dafür, dass die literarische Vorlage von Fannie Flagg ein Ent-wicklungsroman ist. Evelyns Weg wird sie aus selbstgewählten Zwängen herausführen. Entfesseln! Ein Rezept fürs besseres Leben: Genau solche Geschichten.

19. Minute

Zum Glück war das mit dem Zellophan ja nur ein Alptraum. Was leider kein Traum ist: die dumme Couch-Potato Ed und Evelyns Alltag in der Steinzeit, wie es die Kollegin aus der Selbsthilfgruppe ausdrückt. "Towanda!" möchten wir Evelyn hier schon zurufen. "Towanda!" Aber wir müssen uns noch gedulden …

20. Minute

Wie der Film sich Zeit lässt, seine Geschichte(n) zu entfalten, sich in der Historie vor und zurück zu bewegen und er dabei gleichzeitig mit einer solchen Geschwindigkeit auf sein Finale zusteuert, so dass wir uns am Ende wie immer fragen werden, wo bloß die Zeit geblieben ist – unter anderem das macht den unvergänglichen Zauber von Grüne Tomaten aus. Und Sie wissen ja, worin sein spezielles Geheimnis liegt. Falls nicht, werden Sie es im Verlauf der folgenden 110 Minuten erfahren – und mit Sicherheit nie mehr vergessen.

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WF

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