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Four Rooms
von Reinhard Lüke
Sylvesternacht in einem ehemals noblen, inzwischen ziemlich heruntergekommenen Hotel in Los Angeles. Ausgerechnet an diesem Abend tritt Ted seinen neuen Job als "Bell Boy" an: Er wird der einzige Angestellte in dieser Nacht sein, um die unterschiedlichsten Wünsche der Hotelgäste zu befriedigen. Aus der Hoffnung, daß es eine ruhige Nacht wird, die Ted an der Rezeption verträumen i kann, wird jedoch nichts. Ted ist - oft in des Wortes wahrstem Sinne - der Running Gag und gleichzeitig der "rote Faden", den die vier Regisseure gesponnen haben, um die Episoden ihres Gemeinschaftsfilms zu verbinden.
Die Leiden des gestreßten Hotel-Boys nehmen in "Die fehlende Zutat" ihren Anfang. In der Flitterwochen-Suite hat sich eine Gruppe überaus attraktiver, aber irgendwie seltsamer Frauen einquartiert. Als Ted ihnen allerlei Kräuter aufs Zimmer bringt, ertappt er sie bei einem Hexen-Ritual. Und dann verlangen sie auch noch nach einer Zutat für ihr Zaubergebräu, die nur ein Mann ihnen liefern kann. Endlich zurück an der Rezeption, wird der Ärmste in "Der falsche Mann" in sein nächstes Abenteuer verwickelt. Aus Zimmer 404 klingelt jemand nach einem Eiskübel. Als Ted den Raum betritt, hält ihm ein entschlossen dreinblickender Mann einen Revolver unter die Nase und stellt ihm seine Frau vor, die gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl sitzt. Ein seltsames Liebesritual, das die beiden "Mord aus Eifersucht" nennen und zu dem notwendigerweise ein zweiter Mann gehört. Aber Ted überlebt auch dieses Rollenspiel und darf sich seiner nächsten Bewährungsprobe stellen, die "Die Strolche" für ihn bereithalten. Von einem finsteren Macho, der mit seiner Frau den Jahreswechsel irgendwo woanders feiern möchte, läßt er sich nötigen, die beiden Kinder des Paares zu hüten. Der vermeintlich gut honorierte Nebenjob entpuppt sich als veritabler Albtraum. Die lieben Kleinen bedienen sich nicht nur ordentlich aus der Mini-Bar, sie spielen Darts mit einer gefundenen Spritze und finden obendrein eine Leiche im Bettkasten. Und als ihre Eltern zurückkommen, steht das Zimmer in Flammen. In "Der Mann aus Hollywood" schließlich will ein mächtig alkoholisierter Schauspieler im Penthouse mit seinem nicht minder betrunkenen Kumpan eine groteske Wette nachspielen, die sie einmal in einer Hitchcock-Show gesehen haben. Wenn der eine es schafft, sein Feuerzeug binnen kürzester Zeit ohne "Aussetzer" zehnmal hintereinander anzubekommen, gehört ihm das Auto des anderen. Wenn nicht, wird ihm der kleine Finger abgehackt und anschießend wieder angenäht - man ist ja kein Unmensch. Ted bringt die nötigen Utensilien, aber als er erfährt, daß er gegebenenfalls das Hackebeil schwingen soll, ist er schockiert. Aber 1 000 $ Honorar sind ein starkes Argument, und obendrein hat Ted in dieser Nacht schon eine Menge gelernt.
Einen Spaß wollten sich die vier befreundeten Regisseure mit diesem Projekt machen, und der ist ihnen durchaus passabel gelungen. Die einzelnen Episoden verraten eine jeweils eigene Handschrift, sind dabei aber von höchst unterschiedlichem Unterhaltungswert. Für die größte Kurzweil sorgt fraglos "Die Strolche", und das weniger auf Grund der Streiche der beiden kleinen Plagegeister als durch den Auftritt von Antonio Banderas, der sein eigenes (Hollywood-)Image vom stolzen Spanier mit Stier-Blick sehenswert karikiert. Dagegen erscheint "Die fehlende Zutat" als ein letztlich arg brav gestrickter "Frauenkommentar" zu einer altbackenen Männerfantasie (oder auch -phobie) von den verlangenden Frauen. "Der falsche Mann" lebt vom Dialogwitz und der Präsenz der beiden Akteure David Proval und Jennifer Beals sowie von ein paar Trick-Kommentaren (Sternchen, kreisende Ufos) zu geistigen Umnachtungen. In "Der Mann aus Hollywood" spielt Tarantino selbst den abgehalfterten Hollywood-Mimen, und der Ausgang dieser Episode ist einigermaßen überraschend. Bleibt noch Tim Roth in der Rolle des Ted: Roth wuselt sich Grimassen schneidend bis hin zu Slapstick-Einlagen wie ein überdrehter Kobold durch die vier Episoden und macht eine durchaus unterhaltsame Figur. So ist "Four Rooms" insgesamt eine reizvolle Fingerübung von vier renommierten Regisseuren. Und mehr sollte es wohl auch nicht sein.