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Besondere Kinos und ihre Geschichten: Lichtspiele Kalk

Wir möchten unsere Aufmerksamkeit nicht nur den Filmen selbst widmen: Es soll hier auch um die Menschen sowie Orte gehen, die Filmen eine Heimat und ein Forum bieten. An dieser Stelle stellen wir deshalb Kinos und ihre Betreiber*innen vor. Ein Gespräch mit Jennifer Schlieper und Felix Seifert über die noch jungen "Lichtspiele Kalk".

Persönliches/Besondere Kinos und ihre Geschichten

04. Juli 2019

Welchen Film habt ihr bei eurem ersten Kinobesuch gesehen?

Jennifer Schlieper: Disneys Schneewittchen

Felix Seifert: Das weiß ich nicht mehr.

Woher kommt eure Faszination fürs Kino?

Felix Seifert: Ich bin als Kind und Jugendlicher nicht oft ins Kino gegangen. Meine Filmleidenschaft kommt durch Horrorfilme, und die habe ich über VHS-Kassetten kennen gelernt. An der Uni Bochum habe ich dann im Studienkreis Film das Vorführen entdeckt – und seit Mitte der 1990er arbeite ich durchgängig als Filmvorführer. So hat sich durch die Arbeit in verschiedenen Kinos auch meine Kinoleidenschaft entwickelt. Der Job hat viele Vorteile: Man arbeitet meist abends – das kommt einem gewissen Lebensrhythmus entgegen.

Jennifer Schlieper: Ich habe als Kind nicht viel Fernsehen geguckt, dafür ist meine Mutter mit mir ins Kino gegangen. Allerdings eher selten, ich komme aus dem ländlichen Raum, und da musste man also ein bisschen länger bis zum nächsten Kino fahren.
Mit 16 oder 17 fing es dann an, dass ich mich immer mehr für Filme interessierte, und mit dem Umzug nach Köln, einige Jahre später, konnte ich dann meine Film- und Kinoleidenschaft hier ausweiten.
Irgendwann habe ich mich beim Kölner Filmhaus als Programmplanerin beworben. Es ist einfach so passiert – ich bin zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen. Im Filmhaus haben Felix und ich uns auch getroffen. Das war 2006.

Felix Seifert: Heute gehe ich natürlich sehr oft ins Kino. Und ich muss ich sagen: Selbst ein schlechter Film gefällt mir im Kino besser, weil man jeden Film im Kino besser bewerten kann.

Name: Lichtspiele Kalk

Stadt: Köln

Aktuelles Programm: www.lichtspiele-kalk.de

Eröffnet: 2017

Kapazität: Ein Saal, 87 Plätze

Betreiber*innen: Jennifer Schlieper und Felix Seifert

Besondere Merkmale: Programmkino mit Popcorn/ Ausgewählte Filme sowohl in der Originalversion als auch synchronisiert/ Kalker "Stadtteilkino" und einziges rechtsrheinisches Kino in Köln außer dem Autokino Porz

Was ist die Motivation, euer eigenes Kino zu betreiben?

Jennifer Schlieper: Mit Anfang 20 habe ich schon gedacht: "Ein eigenes Kino zu haben wäre ganz cool." Aber das war für mich damals natürlich Fantasy.

Felix Seifert: Es war über Jahre eine fixe Idee. Wir haben uns ständig in diesem Feld bewegt: Film, Kino, Filmreihen. Und wenn man ein Kino betreibt, kann man einfach selbst bestimmen, was man macht. Ich persönlich arbeite gerne selbständig. Es gibt natürlich nervige kleinteilige Dinge zu tun, aber es gibt auch eine unheimlich spannende inhaltliche Ebene. Das Programm. Dazu kommt eine soziale Ebene durch die Leute und den Ort, an dem das Kino sich befindet. Es ist ein ganz diffuser Mix, den man gut findet.

Wie ist die Geschichte der Räumlichkeiten der Lichtspiele Kalk?

Jennifer Schlieper: Wir wollten von Anfang an ein Kino auf der rechten Kölner Rheinseite eröffnen, weil es hier keins gab. 2014 erfuhren wir, dass zwei Architekten ein altes Kino wieder entdeckt hatten. Felix war skeptisch: "Die suchen bestimmt Investoren." Ich habe trotzdem angerufen, und schon am nächsten Tag hatten wir einen Besichtigungstermin. Irgendwie stimmte die Chemie mit den beiden. Also haben wir ein richtiges Konzept geschrieben und uns ordentlich beworben…

Felix Seifert: Es gab wohl eine Handvoll Bewerber. Aber man muss wissen: Die ursprünglichen Union Lichtspiele waren 1948 eröffnet und 1973 geschlossen worden. Danach waren eine Disco und eine Kirche in den Räumlichkeiten, die man entsprechend umgebaut hatte. Im Vorführraum befand sich zum Beispiel eine Wohnung. Die Architekten fanden unser Konzept gut und gemeinsam sind wir dann das Projekt "Kino" angegangen.

Sie strahlen im Dunkeln, wie es sich fürs Kino gehört: Felix Seifert und Jennifer Schlieper

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Was für ein Kino waren die Union Lichtspiele und welcher Aufwand war nötig, die Räume wieder herzurichten?

Felix Seifert: Das Kino wurde Flohkino aufgrund der engen Sitzreihen oder auch Revolverkino genannt, weil hier viele B-Western gezeigt wurden. Für die Zeit kein untypisches Programm, und es ist leider auch nicht untypisch für so ein Stadtteilkino, dass es damals zugemacht wurde. Die vielen Umbaumaßnahmen durch Kirche und Disco waren einer der Gründe, warum sich der Prozess der Wiedereröffnung drei Jahre lang hinzog.

Jennifer Schlieper: Die Bearbeitung und Bewilligung der Baugenehmigung zog sich über anderthalb Jahre. Die Finanzierung spielte natürlich auch eine Rolle. Die Förderungen von der Film und Medienstiftung NRW und der FFA Berlin für die Errichtung des Kinos wurden hingegen schnell bewilligt.

Wie würdet ihr euer Filmprogramm beschreiben?

Felix Seifert: Das kann man glücklicherweise nicht in Worte fassen. Letztlich spielen wir Filme, die uns gefallen. Und wir mögen sehr viele Sachen – alte und neue, große und kleine Filme aus aller Welt.

Jennifer Schlieper: Wir zeigen viele Specials. Im Rahmen unserer Reihen "Cinemania Kalk" und "something weird cinema" kann man viele Filmentdeckungen machen.

Felix Seifert: Und wir haben auch viele Erstaufführungen im Programm. Die größeren amerikanischen Filme spielen wir aber eher nicht zum Start sondern steigen ein paar Wochen später mit ein. Bei Specials achten wir darauf, dass Filme dabei sind, von denen wir wissen, dass viele Leute die auch interessant finden. Big Lebowski, 2001 – Odyssee im Weltraum oder die Tarantino-Reihe sind solche Beispiele. Aber die spielen wir genau so gerne wie die Obskuritäten.

Jennifer Schlieper: Wir werden öfter mal gefragt, ob wir uns bei der Programmgestaltung streiten. Das passiert aber nie.

Schicker Ort, spannendes Programm: Die Lichtspiele glänzen in jeder Beziehung

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Wie ist es insgesamt um die Kinolandschaft in Köln bestellt?

Felix Seifert: Es ist ein Mega-Missstand, dass es hier keine Kinemathek gibt. Brüssel hat zum Beispiel eine Kinemathek, die europaweit ziemlich weit vorne ist. Da gibt es automatisch mehr alte Filme zu sehen, und das fehlt in Köln. Diese Lücke füllt fast nur der Filmclub 813 aus. Aber es gibt nun mal einen Riesenunterschied zwischen einem ehrenamtlich geführten Verein und einem staatlich finanzierten Kino.

Jennifer Schlieper: Ansonsten ist die Kölner Kinolandschaft gut.

Es heißt, dass das Kinderprogramm hier sehr gut ankommt. Wie wichtig ist euer Kino als sozialer Ort im Viertel?

Felix Seifert: Beim Kinderprogramm wird es vielleicht wirklich am deutlichsten. Die Kinder gehen ja nicht in erster Linie ins Kino, weil sie sich für die Filme interessieren. Die mögen es als spezielles Vergnügen. Köln-Kalk bietet ihnen auch sonst nicht so superviele Möglichkeiten.

Jennifer Schieper: Über die Schulvorstellungen hat sich das Filmprogramm bei den Kids herumgesprochen. Mir gefällt der Gedanke, sie über die Jahre aufwachsen zu sehen. Viele kommen immer wieder und sagen schon ganz stolz: "Wir sind hier Stammkunden". Und man denkt so bei sich: "Na, vielleicht habt ihr ja in ein paar Jahren euer erstes Date bei uns!" Hier scheinen die Kinder auch selbständiger als in anderen Vierteln. Das ist interessant zu beobachten.

Welchen Film wollt ihr unbedingt mal im eigenen Kino sehen?

Jennifer Schlieper: Alice von Claude Chabrol. Boccaccio 70. Maya Derens Experimental Films. Ach, es gibt ganz viele…

Felix Seifert: Die werden bestimmt noch alle kommen…

WF

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