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Pablo Larraín im Interview über Maria: "Ich hatte nie eine andere Schauspielerin als Angelina Jolie im Sinn."

Wir sprachen mit dem chilenischen Regisseur Pablo Larraín über seinen Film Maria, der in dieser Woche in den deutschen Kinos startet. Angeline Jolie verkörpert darin die große Opernsängerin Maria Callas in den letzten Tagen ihres Lebens.

05. Februar 2025

Sie haben die Oper schon im Kindesalter lieben gelernt. Wie kam es dazu und wann hörten Sie das erste Mal die Stimme von Maria Callas?
Meine Mutter ging regelmäßig in die Oper und hat mich sehr früh mitgenommen. Ich glaube, ich war so acht oder neun Jahre alt. Ich war von Anfang an überwältigt. Ich habe anfangs nie diese übersetzten Untertitel gelesen, die zu der Aufführung eingeblendet werden und mich deshalb von Anfang an vor allem auf die Sängerinnen und Sänger und das Orchester konzentriert. Ich erinnere mich an eine Verbindung, die nicht sehr rational war, sondern eher emotional, weil ich ja nie so richtig verstanden haben, worum es geht. Auf der Heimfahrt hat meine Mutter dann oft eine Kassette dabeigehabt. Sie hat zu mir gesagt: "Sohn, wir haben gerade diese wunderschöne Oper gehört – aber DAS hier, das ist die Krönung dieser Kunst." Und dann hat sie auf Play gedrückt und wir haben Maria Callas gehört. So wurde ihre Stimme früh ein Teil meines Lebens. Ich liebe auch Rock, Pop, Punk oder Folk, aber die Oper hat etwas sehr Interessantes und ich denke, eine der Motivationen dieses Films ist es auch, viele Menschen einzuladen, sich mit der Oper zu verbinden, wie ich es getan habe.

Vielleicht war es auch ganz gut, dass Sie damals den Text nicht mitgelesen haben: In den meisten Opern wird ja gehurt, getötet, gelästert, gemeuchelt, gelogen, gestorben …

Nun. Nach ein paar Besuchen habe ich natürlich mitgelesen – und ja, vielleicht war das ein wenig zu früh. Opern sind eine sehr dunkle Art von Melodrama, und ich glaube, das ist etwas, das auch diesen Film ausmacht. Die meisten Opern, die Maria Callas auf der Bühne gesungen hat, standen in der Tradition des italienischen Belcantos, sie waren Melodramen, die ein tragisches Ende hatten.

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Wann wurde ihnen klar, dass Sie Angelina Jolie in der Rolle der Callas wollten?
Von Anfang an. Mir war es sehr wichtig, eine Schauspielerin zu haben, die dieses Mysterium, diese Art von Rätsel darstellen konnte. Angelina hatte alle Elemente, die es für die Rolle brauchte und war bereit, die nötige Disziplin und Zeit aufzubringen, die zur Vorbereitung nötig waren. Man braucht jemanden, der die Gesangsaspekte sehr ernst nimmt und die erforderten einen sehr umfangreichen und schwierigen Trainingsprozess. Das hat sich dann auf die Art und Weise ausgewirkt, wie sie atmet, und auf die Haltung, die Art und Weise, wie sie geht, wie sie spricht. Ich habe Angelina während der Produktion und während der Dreharbeiten mehr wie eine Sängerin behandelt, als wie eine Schauspielerin. Das war sehr interessant. Also ja: Ich hatte nie eine andere Schauspielerin als Angelina Jolie im Sinn. Ich wusste, dass es mit ihr und dank ihr die beste Version des Films werden würde.

Die legendäre Operndiva Maria Callas (Angelina Jolie) singt "Ave Maria" aus Verdi’s Otello © STUDIOCANAL

Die legendäre Operndiva Maria Callas (Angelina Jolie) singt "Ave Maria" aus Verdi’s Otello © STUDIOCANAL

Und Angelina Jolie hat die Opernpassagen dann wirklich gesungen, obwohl man vor allem die Gesangsstimme der Callas hört?
Ja. Wir haben sie mit einem halben Dutzend Mikrofone ausgestattet und dann hat sie diese Opern vor Crew und Kamera laut gesungen. Nur sie war am Set zu hören, auch wenn das in einigen Szenen bedeutete, dass da mal 50, mal 400 Menschen im Raum waren. Es muss sie große Überwindung gekostet haben. Wir haben diesen Sound eingefangen, und ihn dann später beim Mix, der hier in Berlin stattfand, mit der Stimme von Maria Callas kombiniert. Da war keine künstliche Intelligenz oder andere Verrücktheiten im Spiel, obwohl es natürlich ein zeitaufwendiger Prozess war. Aber so hört man auch bei den Opern-Parts immer auch ein bisschen von Angelina – und vor allem sieht man, wie ihr Körper und ihre Stimme arbeiten, wenn sie singt.

Mir gefällt es, dass sie die Zuschauer:innen immer nur kurz in die großen Opernmomente hineinwerfen, bevor Maria wieder ruhig und atmosphärisch wird. Wir sehen dann vor allem Maria Callas‘ Alltag in der letzten Woche ihres Lebens und deshalb viele Szenen mit ihrem Hauspersonal, das eine sehr intime Verbindung zu ihr hatte. Warum war es ihnen so wichtig, dem Kammerdiener Ferruccio (Pierfrancesco Favino) und Köchin Bruna (Alba Rohrwacher) diese Bühne zu bereiten?
Maria Callas wurde vor allem an ihren öffentlichen Aufritten bemessen, aber es gab nun mal dieses häusliche Leben innerhalb ihrer Pariser Wohnung. Ich wollte es einerseits zeigen, aber zugleich auch schützen. Mein Drehbuchautor Steve Knight hat das gut verstanden. Diese Menschen waren sehr wichtig im Leben der Callas, es gab reale Vorbilder und ihr echter Butler lebt sogar noch und hat uns am Set besucht. Sie waren, Sie wissen schon, einfach eine Familie. Sie kümmerten sich umeinander, sie beschützten sich gegenseitig, und nach so vielen Jahren des Zusammenseins wurde die Hierarchie irgendwie minimiert. Natürlich war Maria Callas, wer sie war, und sie hatte diese beiden Diener eingestellt - aber sie waren sehr wichtig für sie, und sie waren wie eine Einheit. Wir hatten dabei das Glück, mit so unglaublichen Schauspieler:innen wie Pierfrancesco Favino und Alba Rohrwacher zu arbeiten.

Kammerdiener Ferruccio (Pierfrancesco Favino), Maria Callas (Angelina Jolie) und ihre Köchin und Vertraute Bruna (Alba Rohrwacher) © STUDIOCANAL

Kammerdiener Ferruccio (Pierfrancesco Favino), Maria Callas (Angelina Jolie) und ihre Köchin und Vertraute Bruna (Alba Rohrwacher) © STUDIOCANAL

Es gibt tonnenweise Bücher über die Callas und man hätte leicht eines dieser Biopics machen können, das einmal durch die Biografie hetzt. Ich bin wirklich froh, dass Sie genau das nicht getan haben – obwohl ich das von Ihnen ehrlich gesagt auch nicht erwartet hätte. Aber wie kamen Sie darauf, ausgerechnet aus dieser Blackbox heraus zu erzählen, die diese letzte Woche in ihrem Leben ja für viele Biografen ist?
Die Idee formte sich bei mir schon bei den ersten Schritten der Produktion und wurde dann langsam konkreter, als ich erst mit Angelina Jolie und später mit Steve Knight sprach. Das war noch bevor wir ein Drehbuch hatten. Ich habe sie gefragt: Warum machen wir nicht einen Film über diese Art von dunkler Zone, von der niemand weiß, was passiert ist – nämlich die letzte Woche ihres Lebens in ihrer Wohnung? Von da ausgehend, konnten wir dann eine Reihe von Dingen tun, die real oder surreal, biografisch belegt oder fiktiv sein konnten.

Einer der stärksten Dialoge ist das Gespräch zwischen Maria Callas und JFK – eine Szene, bei der man zwangsläufig auch an Jackie und Ihren Film über sie denken muss. Wie schauen Sie nun – nach dem Abschluss ihrer Trilogie – auf diese beiden Frauen und auf Diana?
Ich hatte nie vor, eine Trilogie zu machen. Ein Film passierte nach dem anderen und sie sind natürlich irgendwie verbunden. Wegen der Zeit, in der sie spielen, und den Menschen, die sie zeigen. Jackie, Diana und die Callas zählen zu den meistfotografierten Frauen des 20. Jahrhundert, sie waren umzingelt von Machtmenschen, waren aber immer in der Lage ihre Stimme zu finden. Sie blieben sie selbst, egal wer neben ihnen stand. Sie sind schöne, starke Frauen, die irgendwie das 20. Jahrhundert definieren und deshalb wollte ich sie verewigen. Das war sicher im Rückblick ein ambitioniertes Vorhaben, aber hey, warum nicht?

Daniel Koch

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