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Wie sich Burning ins Bewusstsein brennt …

Der mysteriöse Thriller Burning von Lee Chang-dong, nach einer Short Story von Haruki Murakami, schwelt permanent im Kopf unseres Autors. Das scheint nicht nur ihm so zu gehen. Den Film gibt es gerade im Programm von ARTHAUS+.

06. Juni 2025

Als Literaturjunkie und Fan abgründiger Filme aus Südkorea wunderte es mich natürlich nicht, dass ich bei diesem Film Feuer fing. Regisseur Lee Chang-dong ist selbst Schriftsteller und Burning war sein erster Film nach acht Jahren Pause. Das machte die Sache schon mal interessant für mich. Außerdem verfilmt er hier eine Kurzgeschichte von Haruka Murakami, den ich eigentlich oft nicht ausstehen kann. "Barn Burning", zuerst im Magazin "New Yorker" erschienen, hat mich aber trotzdem gepackt (die Story kann man übrigens hier im englischen Original lesen). 2018 in Cannes uraufgeführt, erhielt der Film nicht nur geradezu hymnische Kritiken, sondern auch noch den "Critics‘ Choice Award" on top. Tja, und dann spielt auch noch Steven Yeun eine Hauptrolle, der mich bisher nie enttäuscht hat.

Trotzdem habe ich die Wirkung dieses Films unterschätzt. Burning ist – ähnlich wie für mich Sympathy for Mr. Vengeance oder Spoorlos – einer dieser Filme, die mich regelmäßig heimsuchen. Um in der Metapher des Films zu bleiben: Er ist wie ein Schwelbrand in einer dunklen Ecke meines Bewusstseins, der manchmal Funken schlägt, die dann wiederum Dinge ausleuchten, die mich faszinieren und ruhelos machen.

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Aber worum geht es eigentlich? Die Story von Burning klingt nach einer fast typischen "ménage à trois": Jongsu (stoisch-einnehmend gespielt von Yoo Ah-in) kommt nach dem Studium in sein Heimatdorf zurück und will eigentlich endlich seine lange erträumte Schriftstellerkarriere beginnen. Zuhause trifft er zufällig auf seine ehemalige Schulkameradin Haemi (Jeon Jong-seo). Sie ist lebhaft, eindeutig an Jongsu interessiert und auf ungreifbare Art wild. Die beiden verbringen eine Nacht miteinander, aber dann muss Haemi leider auf einen schon lange geplanten Auslandstrip. Am Tag ihrer Rückkehr will Jongsu sie am Flughafen abholen und hofft insgeheim drauf, einfach bei der letzten Nacht neu anzusetzen.

Aber Haemi ist in Begleitung: Sie hat auf der Reise den smarten, wohlhabenden Ben (Steve Yeun) kennengelernt, der ihr fortan nicht mehr von der Seite weicht. Aber nicht nur das: Ben zeigt Haemi gegenüber oft eine Art verschmitzte Abneigung und scheint gleichzeitig Jongsus Nähe spannend zu finden. Er spürt wohl Jongsus Skepsis ihm gegenüber, die er mit vagen Antworten auf konkrete Fragen zu seinem Leben auch noch gezielt befeuert. Ben erzählt Jongsu schließlich, dass er "ungefähr alle zwei Wochen" ein verlassenes Gewächshaus anzündet. Das sei "ein guter Rhythmus". Haemi ist entsetzt und fasziniert zugleich. Als Haemi nach einem zu dritt verbrachten Tag auf dem Hof von Jongsus Familie in der Nähe der nordkoreanischen Grenze verschwindet, glaubt Jongsu, Ben habe sie umgebracht und verschwinden lass. Vielleicht hat er sie ja sogar in einem Gewächshaus verbrannt? Vielleicht mach Ben das ja immer so? Jongsu spioniert Ben also nach und … na, das verraten wir hier nicht.

© PinehouseFilm Co., Ltd. All rights reserved.

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Was nach einem klassischen Thriller klingt, ist im Falle von Burning eher ein Drama, das viele Fragen aufwirft, aber lieber Nebelkerzen zündet, als Antworten zu liefern. Tatsächlich finden sich im Internet zahlreiche Rabbit Holes mit Interpretationen des Films. Einige sehen eine Krimi-Handlung, andere eine Mediation über Erinnerung und Fiktion, manch einer vermutet eine "Fight Club Situation", was bedeuten soll, dass eine*r der drei Hauptcharaktere nicht real ist. Auch eine queere Lesart wäre drin, da Ben und Jongsu eine in beide Richtungen verwirrende Chemie haben. Ich selbst habe den Film ungefähr so oft neu interpretiert, wie ich ihn bereits gesehen habe – was das fünfte Mal gewesen sein muss. Aber ich interpretiere ihn manchmal auch, wenn ich ihn nicht sehe, und mir einfach nur völlig ungeplant eines der vielen fantastischen Bilder aus dem Film in den Sinn kommt. Oder ich einen Sonnenuntergang sehe, der einen ähnlichen Vibe hat, wie all jene in Burning.

PinehouseFilm Co., Ltd. All rights reserved.

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Regisseur Lee Chang-dong (der auch große Teile des Drehbuchs schrieb) sagte dem "Hollywood Reporter" 2018 über seine persönliche Faszination für den Stoff und Murakamis Story: "Als ich Murakamis Geschichte las, interessierte mich vor allem, wie sie einem einzigartigen mysteriösen Ereignis folgt, diese Ambivalenz während der gesamten Geschichte aufrechterhält und dann ohne Auflösung endet. Ich wollte dieses Geheimnis mit filmischen Mitteln zu einem Kommentar über die Geheimnisse unserer Zeit und darüber, wie ambivalent unser Leben tatsächlich ist, ausweiten."

Für Lee sei der Film auch eine Art Experiment gewesen. Er habe sich explizit gegen den Kinotrend stellen wollen, dass man dem Zuschauenden auch das letzte Detail erklären wolle: "Mir scheint, dass Filme heutzutage immer simpler werden und das Publikum einfachere Geschichten zu bevorzugen scheint. Natürlich prägen Filme auch die Wünsche und Ansprüche des Publikums, daher wollte ich diesem Trend etwas entgegenwirken und herausfinden, ob ein Film das Publikum mit endlosen Fragen konfrontieren kann. Endlose Fragen über eine größere, geheimnisvolle Welt. Dieser Film ist das Ergebnis dieses Experiments."

Das Experiment ist geglückt – und ich weiß bis heute nicht, ob ich Lee dafür danken, oder ihn dafür liebevoll hassen soll. Auch diese Einschätzung ändert sich mindestens so oft, wie meine Interpretation von Burning.

Den Film gibt es noch wenige Tage bei ARTHAUS+. Hier geht's zum Channel bei Amazon und hier gibt's alle Infos zur ARTHAUS+ App.

Daniel Koch

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