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Zu Jim Morrisons Todestag: Stone und der Lizard King

Wie es Oliver Stone gelang, den Geist einer Zeit, einer Musik und eines Lebensgefühls einzufangen. Und den Mythos eines Rockstars, der lieber Poet gewesen wäre.

Persönliches/Aus gegebenem Anlass

03. Juli 2019

Heute vor 48 Jahren verstarb Jim Morrison. Seine Lebensgefährtin Pam Courson fand ihn am frühen Morgen in seinem Pariser Apartment; als Todesursache wurde Herzversagen festgestellt. Die letzte Szene aus The Doors von Oscar-Preisträger Oliver Stone über ihn und seine Band zeigt uns diesen Moment: Der selbsternannte Lizard King, gespielt von Val Kilmer, liegt in der Badewanne. Seine Pose mutet an wie die müde Version einer seiner berühmtesten Abbildungen, deren Fotoshoot im Film dargestellt wird. Die Arme, nicht mehr ausgebreitet, hängen schlaff herunter, die Augen sind leer, die Musik ist vorbei.

Jim Morrison, dargestellt von Val Kilmer, in ikonischer Pose. © 1991 STUDIOCANAL

Jim Morrison, dargestellt von Val Kilmer, in ikonischer Pose. © 1991 STUDIOCANAL

Wenn dieses Abschlussbild eines klar macht, dann dass für Oliver Stone die Geschichte der Doors mit Jim Morrison beginnt und endet. Er selbst gibt zu, ein großer Bewunderer Morrisons gewesen zu sein, so sehr, dass er unbedingt einen Film mit ihm machen wollte.

Als ich 1968 aus Vietnam zurückkam, habe ich ihm mein erstes Script geschickt. Es hieß „Break“, benannt nach dem Song. Es war eine sehr mythische Story, über den unbekannten Soldaten aus Morrisons Geschichten. Ein Poet, der als Soldat in Vietnam endet, dort ums Leben kommt und viele transformative Erfahrungen macht. Es war ziemlich abgefahren, hatte diese typische 1969er Mentalität. Also schickte ich es ihm und schrieb „Du solltest in diesem Film spielen, Regie führen, was immer du willst! Du BIST dieser Film!“
Als ich mich 1990 auf The Doors vorbereitete, traf ich Bill Siddons, seinen Manager und dessen Frau. Eines Tages kam sie nach einem Meeting auf mich zu und sagte: „Ich glaube, das gehört dir. Bill fand es in dem Apartment, in dem Jim starb.“ und überreichte mir mein altes Skript.

Oliver Stone (neues Interview im Bonusmaterial von The Doors – Final Cut)

Und diese Bewunderung merkt man The Doors an, von der ersten bis zur letzten Minute. Stone geht es weniger um eine akkurate Nacherzählung der Ereignisse, die die Karriere der Band beschreiben, sondern vielmehr darum, den Geist einer Zeit, einer Musik und eines Lebensgefühls einzufangen. Und den Mythos eines Rockstars, der lieber Poet gewesen wäre.

Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Herangehensweise auch einen sehr pragmatischen Hintergrund hat. Die widersprüchlichen, meist drogenverschleierten Zeitzeugenberichte machten eine biographische Herangehensweise zur Sisyphos-Arbeit. Doch hinter der verklärend anmutenden Darstellung der exzessiven 1960er-Jahre steckt mehr.
Denn gleichzeitig fällt auf, dass Stone als Erzähler nie das Wohlwollen gegenüber seiner Hauptfigur verliert, auch wenn er dessen Eskapaden in keinster Weise beschönigt. Selbst in seinen dunkelsten und abgründigsten Momenten bleibt Jim Morisson Sympathieträger – eine beachtliche Leistung bei einem alkoholabhängigen Narziss, der neben Drogenexzessen und Wutausbrüchen auch noch das damalige America’s Sweetheart Meg Ryan (als Pam) mit sich in den Abgrund zieht.

Wenn die Musik die Geschichte erzählt

In einem Jahr wie 2019, in dem zahlreiche große Musikbiografien die Kinosäle füllen – von Bohemian Rhapsody bis Rocket Man - drängen sich Vergleiche förmlich auf. The Doors unterscheidet sich von beiden vor allem darin, dass die gezeigte Abwärtsspirale Morissons niemals unterbrochen wird. Rocket Man nimmt Elton Johns Tiefpunkt als Ausgangspunkt für seine Erzählstruktur, um darüber schließlich zu seinem Happy-End zu führen. Und selbst Freddie Mercurys tragische Geschichte lässt Bohemian Rhapsody auf dem Höhepunkt seiner Karriere enden. The Doors hingegen ist von Anfang an als Tragödie ausgelegt. Eine, die in der Musik selbst erzählt wird.

Mehr als 25 Songs der Doors sind in Teilen im Film zu hören. Stone setzt sie chronologisch ein, um durch sie die Geschichte der Doors zu erzählen. Dabei fängt er jedoch nicht nur den musikalischen Werdegang der Band ein, sondern protokolliert gleichzeitig die Eskalation sowohl der Musik, als auch Morrisons persönliche Ausschweifungen. So wie die Musik zum Ventil für den Poeten Morrison wurde, so wird sie für Stone zum Erzählwerkzeug.

I am the Lizard King, I can do everything

Beim Release polarisierte The Doors stark. Während die einen in dem Film eine Huldigung an den Mythos Jim Morisson sahen, gab es auch einige Stimmen, die der Freiheit, die Stone sich bei der Erzählung nahm, kritisch gegenüberstanden.
Worauf sich jedoch alle Kritiker bis heute einigen, ist die schauspielerische Leistung von Val Kilmer als Jim Morrison. Kilmers Darstellung ist so ikonisch, das viele jüngere Fans beide kaum voneinander unterscheiden können. Kürzlich erst berichtete er in einem Interview, wie befremdlich es noch immer für ihn sei, auf Fans zu treffen, die sein Gesicht statt Morrisons in Kombination mit Doors-Zitaten als Tattoo tragen.

Besonders beeindruckend ist jedoch, dass Kilmer nicht nur optisch sondern tatsächlich auch gesanglich kaum vom Original zu unterscheiden ist. Wo Rami Malek in Bohemian Rhapsody komplett synchronisiert wurde und Taron Egerton in Rocket Man gleich selbst alle Vocals übernahm, bestehen die Songaufnahmen in The Doors aus einer Mischung aus beidem. Selbst innerhalb einzelner Songs wurden Teile aus Original Doors-Mitschnitten mit Kilmers Interpretationen zusammengemischt (von niemand Geringerem als dem originalen Produzenten der Band, Paul Rothchild). So ist sich Stone selbst heute nicht mehr sicher, welche Teile von wem stammen. „Ich denke, es sind 40% Morrison, 60% Kilmer – aber ich kann es nicht beschwören.“

Wer sich selbst von Kilmers Gesangskünsten überzeugen will, kann das anhand dieser Probe für die Whiskey-a-Go-Go-Szene tun:

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Der Tod macht Engel aus uns allen

Zurück in diesem Pariser Apartment, blendet die Kamera schließlich von der trauernden Pam auf den Künstlerfriedhof Pere Lachaise. Dort, zwischen Oscar Wilde, Balzac, Molière, Proust und Édith Piaf, liegt klein und unscheinbar Jim Morrisons Grab. War dieses in den 90er-Jahren noch durch zahlreiche Grafitti auf dem kompletten Friedhof („Morrison’s Hotel - this way“) kaum zu verfehlen, hat die Pariser Stadtverwaltung es inzwischen unter 24-stündige Bewachung gestellt.
Damals wie heute ist es jedoch Kultpilgerstätte für Morrison-Jünger und ewige Blumenkinder. Die griechische Grabinschrift KATA TON ΔAIMONA EAYTOY lässt sich auf zwei Arten übersetzen. „Er lebte durch seine Geister“ steht dort, oder alternativ: „Hier liegt er mit seinen Dämonen“. Glaubt man Stones Vision von Jim Morrison, traf wohl beides zu.

JS

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