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Bild zu Einladung zur Weltflucht: Die Reise zum Mond

Einladung zur Weltflucht: Die Reise zum Mond

Mit der gleichnamigen Georges Méliès-Edition Die Magie des Kinos neu erfahren: Serge Brombergs und Eric Langes Doku Die außergewöhnliche Reise erzählt ein faszinierendes Stück Filmgeschichte.

15. Januar 2021

Georges Méliès war fasziniert von den ersten Filmvorführungen der Brüder Lumière Ende des 19. Jahrhunderts. Nur wenige Jahre danach schuf der Spross eines Fabrikanten edlen Schuhwerks selbst ein Meisterwerk für die Ewigkeit, betrat nicht nur als erster Filmemacher den Mond, sondern als Filmer künstlerisches Neuland. Ein großer Schritt für Méliès, mag man in Anlehnung an Neil Armstrong sagen, der später in Wirklichkeit als erster einen Fuß auf den Mond setzen sollte, ein noch größerer für die Menschheit. Wie kam es dazu? Serge Bromberg und Eric Lange rekapitulieren in ihrem fesselnden Dokumentarfilm Die außergewöhnliche Reise Méliès’ Werdegang. Eine Laufbahn, die exemplarisch erscheint. Zunächst als Innovator gefeiert, der dank seiner theatralischen Herangehensweise den Umgang mit Kamera und Kinematografen spielerisch revolutionierte, dann als ambitionierter Schöpfer des Meisterwerks der Phantastik, Die Reise zum Mond, weltweit anerkannt – doch auch in großem Stil bestohlen. Das heißt, um seine Kopien gebracht, und nachgeahmt, sprich seiner Ideen beraubt. So geriet Georges Méliès, einer abgefeuerten Rakete gleich, auf einen geradezu vorbestimmten Kurs.

Von der Zeit gezeichnete Filmkopie © Studiocanal

Von der Zeit gezeichnete Filmkopie © Studiocanal

Der Schutz des geistigen Eigentums und die Lust am Weiterfilmen trieben den Illusionisten zur Gründung eines eigenen Studios sowie einer Produktionsdependance in den USA. Und der Erfolg des eigenen Kurzfilms, dessen Bild der im Auge des Mondes steckenden Rakete inzwischen beinahe für die Filmgeschichte selbst steht, verführte ihn zum Selbstzitat. Seine übrigen phantastischen Reisen waren eher Sequels, er wurde eine Art James Cameron seiner Epoche. Méliès verpasste den Anschluss, als sich das Kino gesellschaftlichen Themen zuwandte. Blieb beim Theater, ließ Werke noch durch teure Handkoloration verfeinern. Aus jetziger Sicht ein historischer Schatz, damals eine Masche, die vom Publikum nicht mehr goutiert wurde. Méliès reagierte mit einem Akt des Wahnsinns, verbrannte sein gesamtes, etwa 500 Filme umfassendes Archiv. Zum Ende seines Lebens wurde er durch eine Hommage rehabilitiert und fand seinen Frieden. Viele Arbeiten des 1938 verstorbenen, manischen Produzenten blieben verschollen.

Der große Illusionist © Studiocanal

Der große Illusionist © Studiocanal

Die Reise zum Mond ist auf der Edition Georges Méliès – Die Magie des Kinos in der restaurierten Fassung aus dem Jahr 2011 enthalten. Man kann sich gar nicht satt sehen an diesem Filmwunder. Méliès’ Imaginationskraft ist die eine Sache. Tom Hanks berichtet in der Doku von den erstaunlichen Analogien zur tatsächlichen Mondlandung 1969. Und die Stimme aus dem Off kann sich den Hinweis nicht verkneifen, dass es Leute gibt, die überzeugt sind, die spektakuläre Apollo-Mission der US-Amerikaner sei durch Stanley Kubrick in einem Filmstudio inszeniert worden, um die Sowjets im Kalten Krieg auszustechen. Die andere Sache: Man ist überwältigt vom Detailreichtum der Bauten und Kostüme und von den ausdrucksstarken Leistungen der Schauspieler*innen in Méliès’ Die Reise zum Mond. Wie hat er das gemacht?

Méliès entdeckte den Zauber des Filmens © Studiocanal

Méliès entdeckte den Zauber des Filmens © Studiocanal

Eine Sensation noch dazu, dass die Restaurierung in dieser Form überhaupt gelingen konnte. Nicht Original und Fälschung, sondern altes Original und neues Original – unter diesem Motto könnte das letzte Drittel von Die außergewöhnliche Reise stehen, in dem die Rettungsaktion von geschichtlicher Tragweite erzählt wird. Wir lernen: Zeit ist erst die große Freundin filmischer Geniestreiche, wenn sie in voller Blüte in ihnen aufscheint. Sie wird zu ihrer unerbittlichen Feindin, indem sie voranschreitet und das Material allmählich zersetzt. Aber mit ihrem Vergehen provoziert sie wiederum die menschlichen Kapazitäten. Und neueste Technologien vollbringen Dinge, die Jahre zuvor noch unmöglich waren. All das steckt in dieser Edition. Und sie kommt tatsächlich zur rechten Zeit. Entdecken Sie mit Georges Méliès eine andere Welt.

WF

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