Am 4. Juni 2025 wird Angelina Jolie 50 Jahre alt – und in dem halben Jahrhundert seit ihrer Geburt in Los Angeles hat sie sich ein Leben aufgebaut, über das man zahlreiche Bücher schreiben könnte (oder ein ganz dickes). Tatsächlich sind bereits einige Jolie-Biografien erschienen. Aber eine Autobiografie? Fehlanzeige. Sie selbst hat sich die Tinte bislang für ihr „Tagebuch einer Reise“ über "Begegnungen mit Flüchtlingen in Afrika, Kambodscha, Pakistan und Ecuador" aus dem Jahr 2003 aufgespart, anstatt ihre Promi-Vita literarisch zu verarbeiten. Dabei hätte Jolies eigene Perspektive es in sich! Ob persönliche Herkunft inklusive zerrüttetem Verhältnis zum Vater Jon Voight, berufliche Meilensteine wie etwa die Hauptrolle als Lara Croft in der Computerspiel-Verfilmung Lara Croft:Tomb Raider, ihre Etikettierung als Sexsymbol, vor der auch Jugendjahre als Außenseiterin nicht schützen, das Scheitern der unter dem Label "Brangelina" bekannten, wahr gewordenen Yellow-Press-Phantasie oder die Geschichte der jahrelangen gerichtlichen und öffentlichen Auseinandersetzung mit dem an dieser Phantasie beteiligten Ex-Gatten Brad Pitt, unter anderem über sensible Fragen des Sorgerechts für die drei leiblichen und die drei Adoptivkinder des Paares. Allein das könnte nicht nur als Memoiren einer Hollywood-Ikone den Sprung in die Bestsellerlisten schaffen, Jolies Blick auf die Gesellschaft hat darüber hinaus das Zeug zur politischen Bestandsaufnahme in Sachen Menschenrechte. Wobei sie auch den dazugehörigen Film gleich selbst in die Hand nehmen könnte, Jolie ist neben ihrem Job vor der Kamera ja auch als Produzentin, Autorin und Regisseurin tätig.
Na, und das ist längst nicht die ganze Geschichte. Wer Angelina Jolie sagt, muss neben den schon erwähnten Schlagwörtern auch Krebsvorsorge und Selbstbestimmung über den eigenen Körper sagen, schließlich war das Gerede nach ihrer Brustamputation auch Anlass für eine feministische Verteidigung plastischer Veränderungsmaßnahmen an der äußeren Erscheinungsweise des menschlichen Körpers, von ihrem weiblich Vorzeigebody und den medizinisch motivierten Gründen in Jolies speziellem Fall ganz abgesehen. Wer über Angelina Jolie spricht, sollte ihre Rolle als sechsfache Mutter als das wichtigste Engagement ihrer Laufbahn hervorheben, sie wäre ganz bestimmt d‘ accord. Und wer der Allgemeinheit zugewandte Statements von Angelina Jolie in Erinnerung ruft, darf nicht vergessen, die ambivalenten Gedanken zu erwähnen, die sie als Sonderbotschafterin des UN-Flüchtlingshilfswerks artikulierte.
Jolie ging es offensichtlich nie darum, Kosmetik zu betreiben, was die Makel der Weltordnung angeht oder als Charity-Queen von Hollywood in die Annalen einzugehen. Man glaubt ihr schon, dass sie die Dinge dauerhaft zum Besseren wenden möchte. Einschneidende Veränderungen standen aber erst mal im privaten Bereich an – der Zoff mit Brad Pitt geriet wie wir alle wissen zum existenziellen Dilemma. Seit geraumer Zeit hat sich Jolie von den Bühnen der Wohltätigkeit zurückgezogen und konzentriert sich neben ausgesuchten Filmrollen – unlängst war noch ihre grandiose Verkörperung der Callas im Biopic Maria zu bestaunen – auf das Familienleben. Aber die Kids werden allmählich flügge (wer will, kann ihre Werdegänge in den dafür vorgesehenen Medien weiterverfolgen). Was also bleibt einer Frau wie Angelina Jolie, deren Bekanntheitsgrad mit dem Celebrity-Status durchgeknallter Tech-Milliardäre, reicher Erb*innen in Führungspositionen oder Kolleg*innen der Schauspielzunft mit politischer Verantwortung locker konkurrieren kann, und die sich als Künstlerin bereits verwirklicht hat? Was kann sie tun für ihre humanitären Anliegen in einem Land, dass zu den einflussreichsten auf dem krisengeschüttelten Planeten zählt und dessen politisches Milieu sich in der Vergangenheit als äußerst durchlässig für mediale Lichtfiguren erwiesen hat? Mal unter uns: Man braucht gar nicht so viel Phantasie, um sich Angelina Jolie als US-Präsidentin der Herzen auszumalen. Es gäbe durchaus schlechtere Kandidat*innen für den Job. Gegen viele weitere Filme mit Angelina Jolie in tragender Rolle und einen dicken autobiografischen Wälzer irgendwann hätten wir natürlich auch nicht einzuwenden. Happy Birthday, Angelina – und alles Gute für die Zukunft!
WF