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Bild zu Einladung zur Weltflucht: Terrence Malicks Wellenlänge

Einladung zur Weltflucht: Terrence Malicks Wellenlänge

"Die Hintergründe von The Tree Of Life" – und andere Details zur intuitiven Arbeitsweise des 1943 geborenen Ausnahmeregisseurs.

Filmgeschichten 30. Juni 2020

Terrence Malick gilt als philosophischer Filmemacher. Aber bei Filmen wie The Tree Of Life, To The Wonder, Knight Of Cups und Song To Song, die sämtlich in unserer Terrence Malick Collection enthalten sind, handelt es sich keinesfalls um reines Kopfkino. Spiritualität ist ein Begriff, den man allenthalben mit Malick verbindet, und sobald man in seine poetische Bilderwelt eintaucht, erscheint es einem so, als sei er von der Projektion auf die Leinwand zum Wesen dahinter vorgedrungen. Eine gewisse Magie ist spürbar im Gesamtwerk, von der sich auch Schauspieler*innen und Künstler*innen aller Art angezogen fühlen. Die Besetzungsliste von Song To Song allein ist ein Gedicht: Ryan Gosling, Rooney Mara, Michael Fassbender, Natalie Portman, Cate Blanchett, Bérénice Marlohe, Val Kilmer – dazu die Musiker*innen Lykke Li, Patti Smith, John Lydon, Iggy Pop.

Zwischen Intimität und Weite: Szene aus "Knight Of Cups" © Studiocanal

Zwischen Intimität und Weite: Szene aus "Knight Of Cups" © Studiocanal

2019 erklärte August Diehl während eines Artist Talks im Rahmen des Filmfestival Cologne, dass er kein Skript gebraucht habe, um wie verzaubert der Einladung Malicks zu folgen, bei dessen jüngsten Film Ein verborgenes Leben mitzuspielen. Von den Dreharbeiten wusste Diehl zu berichten, dass Malick mitunter halbstündige Takes drehte, bis man sich als Akteur vor der Kamera vollkommen im Geschehen verloren habe und nur noch auf existenzialistische Weise da gewesen sei. Teil der ARTHAUS-Collection ist das etwa 30-minütige Featurette "Die Hintergründe von The Tree Of Life", in dem man weitere Details über die intuitive Arbeitsweise Malicks erfährt. So beschreibt Hauptdarstellerin Jessica Chastain das Vorsprechen als einen verbalen Tanz mit dem Filmemacher, der seine Darsteller*innen als Co-Regisseure zu bezeichnen pflegt. Aha! So individualistisch seine Arbeit auch wirken mag, basiert sie doch auf einem ständigen Dialog mit anderen. Wobei The Tree Of Life waghalsig den Bogen spannt vom Mikrokosmos einer durchschnittlichen Familie bis zur Geschichte des Universums. Man könnte sagen, dass sich in diesem Fall auch Gott angesprochen fühlen darf – beziehungsweise der Geist der Evolution oder was auch immer hinter Kino und Leben steckt.

Die Magie der Berührungspunkte: Szene aus "Song To Song" © Studiocanal

Die Magie der Berührungspunkte: Szene aus "Song To Song" © Studiocanal

Existenzielle Fragen und der Sinn des großen Ganzen. Diese Themen finden sich in allen Filmen Malicks. Begonnen hat seine Karriere 1973 mit der Odyssee zweier Gesetzesbrecher. Badlands mit Martin Sheen und Sissy Spacek in den Hauptrollen inspirierte einen gewissen Quentin Tarantino später zum Drehbuch für die Mediensatire Natural Born Killers, die schließlich von Oliver Stone verfilmt wurde – und auch das von Tony Scott umgesetzte Tarantino-Skript zu True Romance ist von der Geschichte nicht unberührt. Ein Teil Hollywoods verehrt Malick, wie sich in solchen Annäherungen zeigt, aber die Konventionen des Betriebs haben ihn nie beeindruckt. Vielmehr hat Malick sich auf beeindruckende Weise darüber hinweggesetzt, betrat als Regisseur neue Ufer, wie John Smith in The New World und riskierte den Balanceakt durch vermintes Terrain, wie die Soldaten in Der schmale Grat. Dabei hat er seine Spuren auch in den Menschen am Set hinterlassen. Einfach wunderbar, wie alle Beteiligten bei The Tree Of Life von der Zusammenarbeit mit Malick schwärmen. Ihre Aussagen ergeben das schöne Porträt eines Künstlers, dessen Weltflucht verdammt welthaltig ist.

Zwischen Hingabe und Leere: Szene aus "To The Wonder" © Studiocanal

Zwischen Hingabe und Leere: Szene aus "To The Wonder" © Studiocanal

Persönlich taucht Terrence Malick in "Die Hintergründe von The Tree Of Life" nicht auf. Schade, aber charakteristisch. Er steht halt ungerne im Rampenlicht, gehört zu den rätselhafteren Figuren der Traumfabrik. Eine Art Salinger der Filmwelt. Lassen wir deshalb seine Worte für sich sprechen: "Wenn man zu sehr versucht, etwas zu inszenieren anstatt es einfach geschehen zu lassen, dann fühlt es sich auch inszeniert an – und man bemerkt den Vorsatz, der dahinter steckt." Malick hatte also nie die Absicht, all diese wundervollen Filme zu machen? Sagen wir es mit Yoda aus Star Wars, dessen Philosophie durchaus auf Malicks Wellenlänge liegt: Ein wahrer Meister, er ist.

WF

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