In einer der am schönsten gefilmten (und grausamsten) Szenen von Was man von hier aus sehen kann steht Luna Wedler als Erzählerin Luisa mit ihrem Hund vor dem Buchladen und beichtet, dass sie immer und überall das Schlimmste befürchtet. Regisseur Aron Lehmann zeigt uns dann gleich mal, wie das aussehen könnte: Das "Buchladen"-Schild kracht runter und köpft den süß-seltsamen Hund.
Was man von hier aus sehen kann ist ein sehr lustiger Film. Und ein sehr trauriger. Es geht um Tod, unerwiderte und unausgesprochene Liebe, um abwesende Väter und Väter, die ihre Kinder verprügeln, wenn sie besoffen sind. Es geht um Panikattacken und Alltagsängste, um Menschen, die immer schlechte Laune haben und um Menschen, die sich eine Schrotflinte in den Hals stecken, weil sie keinen Sinn mehr im Leben sehen. Und trotzdem stimmt man der Erzählerin Luise (als junge Frau gespielt von Luna Wedler, als Kind von Ava Petsch) zu, als sie zu ihrer Oma Selma sagt: "Die Geschichte ist doch eigentlich sehr schön." Das sagt Luise, als Selma (Corinna Harfouch) ihr gerade noch einmal erzählt hat, wie sie gemerkt hat, dass immer jemand im Dorf stirbt, wenn sie von einem Okapi träumt. Ihr erster "Treffer" war ihr eigener Mann. Was die Geschichte ja eigentlich weniger schön macht.
Aber genau das ist das Spannungsfeld von Mariana Lekys 2017 veröffentlichten Bestseller "Was man von hier aus sehen kann". Buch und Film machen eine ganze eigene Welt auf, ein kleines Dorf im Westerwald, das von zahlreichen Charakteren bewohnt wird, denen man jederzeit das etwas inflationär gebrauchte, aber hier sehr passende Adjektiv "skurril" anhängen kann. Der Film funktioniert aber vor allem, weil Luna Wedler die von tausenden Leser:innen geliebte Luise mit ihrem starken Spiel perfekt getroffen hat.
Wenn man sich die spannende Filmographie der 1999 in Zürich geborenen Luna Wedler anschaut, merkt man schnell, dass sie nicht nur in Filmen vor Buchläden rumsteht, sondern auch im realen Leben genau dort oft "ihre" Filme findet. Da tauchen nämlich gleich mehrere Romanverfilmungen auf – und oft sind es Bücher aus der Kategorie "gut geschriebene Beststeller".
Das gab sie schon in den Interviews zum Kinostart der Leky-Verfilmung zu. Da saß sie zum Beispiel in einem Format der Buchkette "Hugendubel" und sagt: "Ich habe in letzter Zeit echt viele Romanverfilmungen gemacht, ist mir aufgefallen." Es sei bei solchen Rollen schon immer ein gewisser Druck dabei, meint sie, weil: "Das ist ja das schöne beim Lesen, was wir alle lieben: Dass wir in unsere eigene Welt eintauchen können. Wir haben unsere eigenen Bilder, wir haben unsere eigenen Beziehungen zu den Figuren, wir haben unser eigenes Bild von ihnen und jeder stellt sie sich anders vor. Und dem gerecht zu werden, den Lesern und den Autoren, das ist immer ein Druck und das möchte ich immer gut machen."
Irgendwie scheint sie diesen Druck aber auch zu mögen. Und sie hat einen guten Riecher für jene Art von Romanen, zu denen viele Menschen eine sehr emotionale Bindung haben. Damit meinen wir nicht unbedingt die 2022er-Verfilmung von Der Räuber Hotzenplotz, wo sie eine Fee spielt, sondern eher die Verfilmung von Dem Horizont so nah, wo sie das Alter Ego der Autorin Jessica Koch spielt. Oder Marianengraben nach dem gleichnamigen Roman von Jasmin Schreiber – ein von seinen Fans geradezu leidenschaftlich geliebtes Buch –, wo Wedler die Erzählerin Paula wieder einmal perfekt trifft. Im tragisch-schönen und traurigen Auerhaus nach Bov Bjergs Bestseller ist sie die Vera, und in der internationalen Netflix-Serien-Produktion Alles Licht, das wir nicht sehen nach dem Roman von Anthony Doerr spielt sie Jutta – die Schwester des Hauptcharakters Werner, die vor allem in Buch und Film eine tragende Rolle einnimmt, obwohl sie nur in wenigen Kapiteln auftaucht.
In diesem Jahr hat es Luna Wedler dann wieder getan: Sie setzt sich dem Druck aus, die Tilda aus Caroline Wahls Bestseller "22 Bahnen" zu spielen. Ein Buch, das sie selbst über alles liebt. In einem aktuellen Interview mit dem "Spiegel" sagt sie: "Ich lese die Bücher zu den Filmen, in denen ich spiele, ja nicht immer. Das wäge ich immer mit der Regie ab. Aber hier war es ein Riesengeschenk."
Glaubt man den ersten Kritiken hat Luna Wedler es auch diesmal wieder geschafft, den Leser:innen und der Autorin gerecht zu werden. Caroline Wahl ist zumindest schon mal sehr happy. Sie schreibt in einem begeisterten Post auf Instagram am Ende "UND IHR RACKER KÖNNT EUCH FREUEN AUF DIESEN FILM, DER IST SO TOLL, FAST SO TOLL WIE DAS BUCH (spaaaß!)."
DK