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Pakt der Wölfe: Ein Film wie ein Rausch

Das wilde Genre-Mash-up von Christoph Gans aus dem Jahr 2001 ist soeben in 4K bei ARTHAUS erschienen – zum ersten Mal komplett synchronisiert im Director’s Cut. Ein Film, der immer noch knallt und einen Höllenspaß macht.

12. Mai 2023

Ich habe mich lange davor gescheut, mir diesen Film noch einmal anzuschauen. Dermaßen euphorisch war ich, als ich ihn mit Anfang 20 zum ersten Mal sah, dass ich irgendwie Angst hatte, er sei schlecht gealtert. Die gerade veröffentlichte 4K-Restauration von Pakt der Wölfe war jedoch ein gutes Argument, sich noch einmal ranzutrauen. Und was soll ich sagen? Dieser Film knallt noch immer. Und er bringt mich dazu, ein Vokabular zu verwenden, das mir fast ein wenig zu prollig erscheint für diese Website. Aber es ist nun mal so: Pakt der Wölfe macht einen Höllenspaß! Und das, obwohl hier Motive, Stile und Storys aufeinander krachen, die sich eigentlich kaum miteinander vertragen dürften. Aber der Reihe nach …

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Pakt der Wölfe führt uns ins Frankreich des Jahres 1767 – nach einem kurzen Abstecher in die Französische Revolution, wo der Aristokrat Thomas d’Apcher auf seine Henker wartet und die wahre Geschichte über die "Bestie des Gévaudan" erzählen will. Diesem Raubtier fielen in der gallischen Region Gévaudan in der Zeit von 1764 bis 1767 etwa 100 Kinder, Jugendliche und Frauen zum Opfer. Um 1767 wird deshalb der Naturwissenschaftler Grégoire de Fronsac (Samuel Le Bihan) von König Ludwig XV. ins Gévaudan entsandt, um die Bestie zu erlegen. Ihm hilft der junge d’Apcher (Jérémie Renier) sowie Fronsacs Assistent Mani (Mark Dacascos) – ein mysteriöser, amerikanischer Native, den es nach Frankreich verschlagen hat. Außerdem Teil des schillernden Personals: die Kurtisane Sylvia (Monica Bellucci); der skeptische, einarmige Jean-François de Morangias (Vincent Cassel), der sich ein Gewehr gebaut hat, dass er am Arm-Stumpf anlegen kann und dessen Schwester Marianne (Émilie Dequenne), in die sich de Fronsac verliebt. Die action-reichen und weit verzweigten Wege zum Ende der Bestie hier nachzuerzählen, würde jeglichen Rahmen sprengen. Doch so crazy dieser Film auch sein mag: Der Kern der Geschichte und sogar viele Charaktere sind historisch verbrieft.

Was hier noch wie ein Historienschinken klingt und in den ersten Sekunden, in denen man d’Apcher mit Perücke und Schreibwerkzeug begegnet, auch kurz so aussieht, wird dann schnell zu einem atmosphärischen, temporeichen, stylischen Genre-Bastard. Es wird geballert, gekämpft, gesplattert, geschossen, geredet, gesündigt, gerätselt, gevögelt – immer zur spürbaren Freude von Regisseur Christophe Gans und Kameramann Dan Laustsen, der waghalsige Kamerafahrten ebenso kann, wie atmosphärischen Nebelhorror, sinnliche Orgien-Dokumentation, schnelle Cuts bei den Martial-Arts-Kämpfen und den Zoom auf mysteriöse Details, wenn mal das Okkulte Einzug hält oder die Bestie ihre frühen Auftritte hat. Wenn sie dann endlich ins Bild kommt, sieht man, dass sie ein grausames Kunstwerk ist, erdacht in "Jim Henson’s Creature Shop". Große Ehre gebührt aber auch den Ausstatter:innen des Films – allein das Outfit von Grégoire de Fronsac und Mani, das sie zu Beginn tragen und das auch das Filmposter ziert, hätte einen Preis verdient.

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Wer Pakt der Wölfe noch nicht kennt und vorhin bei den Worten "Martial Arts" stutzig wurde: Ja, es wird viel gekämpft - auf eine Art, die auch Jackie Chan Freude bereitet hätte. Vor allem Mani bei seinem brutalen Ballett zuzuschauen, ist eine große Freude. Dieser Genre-Mix zwischen Abenteuerfilm, Historiendrama, Martial Arts Zelebrierung und okkultem Horror wirkt auf dem Papier wie eine völlig irre Idee, funktioniert als Film dann aber ausgesprochen gut. Oder besser: Man wird so mitgerissen, dass man das Ächzen im Gebälk der Filmstruktur nur zu gerne ignoriert. So erging es mir zumindest. Scheiß auf die Filmlogik, reicht mir das Popcorn!

Christophe Gans hatte jedoch genau das im Sinn. Er sagte im Jahr der Erstaufführung in einem BBC-Interview: "Ich wusste von Anfang an, dass der Film eine verrückte Mischung sein würde. Das war die Herausforderung und das eigentlich Interessante für mich. Zu versuchen, ein Frankreich nachzubauen, das es nie wirklich gegeben hat, und dabei naturalistische Elemente zu verwenden, aber dem Ganzen eine sehr seltsame Note zu geben." Gans verglich seinen Ansatz mit dem von Jean-Pierre Jeunet bei Die fabelhafte Welt der Amélie. "Er hat ein Montmartre geschaffen, das es nie wirklich gab, das Montmartre der Touristen. Ich finde es sehr schön, wenn jemand eine Traumgeographie Frankreichs neu komponiert. Im Grunde habe ich das Gleiche gemacht. Ich bin an der Mythologie interessiert, daran, diese Bedeutung zu erhalten. Ich will nicht nur einen coolen Film mit tollen Kämpfen machen, sondern auch das Gefühl dieser Zeit erhalten." Ein Ansatz, der ankam: Pakt der Wölfe war einer der seltenen französischen Filme, die auch in Amerika ein großes Publikum fanden.

Ich habe es also nicht bereut, dieses seltsamen, großartigen Film noch einmal zu schauen. Ganz im Gegenteil. Vor allem, weil die 4K-Restauration dieses "nachgebaute Frankreich", die Bestie, den spielfreudigen Cast und die beeindruckende Natur in neuem Glanz erstrahlen lässt – und diese Seherfahrung noch ein wenig surrealer erscheinen lässt.

DK

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