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Peter Sellers: Die heikle Kunst der Verwandlung

Zum hundertsten Geburtstag des unverwechselbaren Schauspielers mit den vielen Gesichtern

08. September 2025

Es gibt nur einen Schauspieler, der zu Lebzeiten von sich behaupten konnte, die Hauptrolle in Elvis Presleys Lieblingsfilm zu spielen. Peter Sellers' komödiantisches Genie im Zusammenspiel mit dem inszenatorischen Blick von Regisseur Blake Edwards trieben dem King 1968 die Tränen in die Augen. Elvis hat sich bei Der Partyschreck zwar nur sprichwörtlich totgelacht, aber er hat den Film nicht einmal zehn Jahre überlebt. Auch Peter Sellers trat früh von der Bühne ab, wurde mit 55 nur 13 Jahre älter als sein wohl prominentester Fan. 1980 erlag er einem Herzinfarkt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Sellers längst einen Namen gemacht, der über sein unbestreitbares Talent für Slapstick hinauswies. Ein frühes Highlight seiner Karriere war 1955 die Rolle eines der Streicher beziehungsweise Strolche aus der zum Klassiker gereiften und durch ein Remake der Coen-Brüder geadelten Komödie Ladykillers. In vielen Rollen war ihm eine latente Verletzlichkeit anzumerken, bekanntlich die beste Voraussetzung für die Eskalation vermeintlich alltäglicher Situationen in groteske Humorveranstaltungen. Peter Sellers war zugleich jemand, der nicht aus seiner Haut konnte und einer, der es nicht in seiner Haut aushielt. Unverwechselbar gerade in seiner Wandlungsfähigkeit. Für sein schwaches Herz war das wohl zu viel.

Ein Film mit Peter Sellers ist ein Film mit Peter Sellers

Der am 8. September 1925 in Portsmouth geborene Sellers machte im Kino gerade durch seine Maskierungen die unsichtbaren Maskeraden der Menschen im Alltag sichtbar. Dank seiner markanten Mimik, die durch sämtliche Lagen Schminke hindurch Bände sprach, ließ er gleichzeitig den Abstand zu Kostüm und Figur durchscheinen. Verdammt albern konnte er sein, und die Filme, in denen er mitspielte sogar noch alberner – aber das akzentuierte bloß seine Melancholie, jedenfalls, wenn man genau hinschaut.

Ein Film mit Peter Sellers ist ein Film mit Peter Sellers. Der bittere Ernst hinter Stanley Kubricks Antikriegssatire Dr. Seltsam – Oder: wie ich lernte, die Bombe zu lieben, mag am sichtbarsten im Restless Nazi Arm Syndrome des deutschen Wissenschaftlers stecken. Dessen Intonation allerdings ist ein ebenso auffälliges wie subtiles Element der Irritation, das Sellers persönlich einbrachte. Genau wie sich der rechte Arm von Doktor Seltsam andauernd selbständig macht und vom linken Arm in Zaum gehalten werden muss, scheint die Stimme, mit der er spricht, zu einem anderen Ich zu gehören – und macht doch seinen Charakter aus. Dieses künstlerische Spiel mit dem Phänomen einer multiplen Persönlichkeit ist typisch für Sellers' Verkörperungen, und lässt sich im Fall des Kubrick-Films überdies auf das Feld der Weltpolitik zur Zeit des Kalten Kriegs übertragen, in dem man beinahe jedem Politiker ein doppeltes Spiel zutraute und eine Doppeloral vorwerfen mochte.

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Kein Geheimnis, dass die Kunst der Verwandlung unter dem Stichwort der kulturellen Aneignung heute anders betrachtet wird als zu Sellers' Glanzzeit. Kein Wunder zudem, dass er mit einigen Darstellungen damals schon Leute vor den Kopf stieß. Durch sein Verständnis von hemmungsloser Schauspielerei – in vielen Rollen wechselte er Akzente, Hautfarben, Klischees und Vorurteile und lud sie mit unheilvoller Bedeutung auf wie unbedarfte Kinder ihre Verkleidungen an Karneval –, hat er die damit zusammenhängenden Problematiken bestenfalls auf unterhaltsame Art gespiegelt.

Gegenüber seinen Filmrollen bleibt er privat eher blass

Platt waren selbst seine heikelsten Karikaturen nie, aber Hrundi V. Bakshi aus Der Partyschreck verursacht sicher bei Teilen des Publikums durchaus jene Art von Bauchschmerzen, die Sellers selbst einst bei seinem realen Treffen mit den Beatles empfand, wie den Aufnahmen der Get Back-Doku zu entnehmen ist. Überhaupt: Der private Peter Sellers bleibt gegenüber seinen Filmrollen eher blass.

Als Schauspieler hat Sellers nicht nur Kubricks Doktor Seltsam und anderen modernen Klassikern seinen Stempel aufgedrückt, ohne ganz er selbst zu sein oder sich in einer Personifikation zu verlieren – was ja oft nur umso aufdringlicher gespielt wirkt und den Fokus auf den Darsteller lenkt. Seine wohl bekannteste Filmfigur, der tollpatschige Inspektor Clouseau, der selbst gerne in andere Rollen schlüpft (und wie Der Partyschreck der Zusammenarbeit mit Blake Edwards entspringt), trägt zwar nicht unbedingt autobiografische Züge, kommt dem Wesen von Peter Sellers aber doch ziemlich nahe. Zufälligerweise hat dieser Inspektor Clouseau am 8. September Geburtstag. Genauso wie Peter Sellers, der heute 100 Jahre alt geworden wäre.

WF

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