Detailsuche

Bild zu Saoirse Ronan über The Outrun: "Die schüchternen Momente zu spielen, war schwierig für mich."

Saoirse Ronan über The Outrun: "Die schüchternen Momente zu spielen, war schwierig für mich."

Saoirse Ronan spielt nicht nur die Hauptrolle in The Outrun, sie ist auch Co-Produzentin des Films. Wir trafen sie zu einem Gespräch über die Arbeit mit Autorin Amy Liptrot, die Dreharbeiten auf den Orkney Inseln und die Herausforderungen dieser intensiven Rolle.

12. Dezember 2024

Es wird sehr häufig über die wirklich dramatischen und fantastischen Szenen gesprochen, in denen Rona stark alkoholisiert ist. Völlig zurecht, aber mich hat fast mehr beeindruckt, dass du es geschafft hast, nerdiges Googlen in sehr kleinen Räumen und Spaziergänge an grauen Tagen so zu spielen, dass es emotional packend ist. Wie schwierig war das?
Es war tatsächlich viel schwieriger für mich, dieses nerdige Element und die Social Anxiety zu spielen. Dieses Gehemmte ist mir als Person nicht sonderlich nah, da ich es gewohnt bin, Leute zu treffen und mit Fremden zu interagieren. Ich bin sehr selbstbewusst in diesen Situationen. Rona kann das eben nicht, was ja auch der Grund ist, warum sie sich dem Alkohol zuwendet. Mir hat Amy Liptrots Schreibtstil sehr geholfen, einen Zugang zu diesen Momenten zu finden, weil sie sehr genau vermittelt, wie sie sich dabei gefühlt hat. Die Naturszenen fielen mir hingegen leicht. Ich komme aus einer sehr ländlichen Gegend. Die Natur ist mein Safespace. Ich tanke Kraft in der Abwesenheit von Menschen.

Wir müssen aber natürlich auch über die brillant gespielten Szenen sprechen, in denen Rona schwer alkoholisiert ist. Wie bereitet man sich darauf vor?
Als Schauspielerin muss man sich sehr genau überlegen, wie man in diesen Szenen sprechen will und wie man sich bewegt. Ich habe dafür mit dem englischen Choreografen Wayne McGregor zusammengearbeitet, damit jede Szene einen eigenen Rhythmus hat und ich mich nicht ständig wiederhole. Beim Sprechen sollte man vermeiden, einfach die Worte zu verschlüren. Das wäre eher die Karikatur eines alkoholsüchtigen Menschen. Tatsächlich war es Greta Gerwig, die mir beim Dreh von Lady Bird den besten Tipp gegeben hat. Sie sagte: "Denk immer daran, dass betrunkene Leute vor allem vermeiden wollen, betrunken zu erscheinen. Sie versuchen mit aller Kraft, so nüchtern wie möglich zu wirken. Und scheitern daran." Ich musste mir vor Augen halten, dass ich keine Person spiele, die nur mal eben für eine Nacht abstürzt. Ich spiele eine Frau, die aus medizinischen Gründen Alkohol zu sich nimmt. Sie hat sich an das Ethanol in ihrem Körper gewöhnt. Es wirkt auf sie wie ein Medikament, das ihr Gleichgewicht gibt. Die Wissenschaft hinter einer Alkoholsucht zu kennen, half mir also ebenso. Außerdem kann ich allen Schauspieler*innen empfehlen, die BBC-Serie The Virtues mit Stephen Graham zu schauen – das ist das beste Spiel eines betrunkenen Menschen, das ich jemals gesehen habe.

Video kann aufgrund der gewählten Cookie-Einstellungen nicht gezeigt werden.

Das Buch "The Outrun" von Amy Liptrot ist wirklich besonders. Und auf den ersten Blick unverfilmbar, würde ich sagen. Regisseurin Nora Fingscheidt erzählte uns, dass sie das beim ersten Lesen auch gedacht habe, obwohl sie da schon wusste, dass die Produzentin Sarah Brocklehurst und du an Bord waren und sie einen Film draus machen sollte. Wie war das bei dir?
Wir haben wirklich sehr lange überlegt, was wir mit dem Buch anfangen sollen, und es ist auch und vor allem Sarahs sanftem Druck zu verdanken, dass wir es probiert haben. Sie brannte einfach sehr ansteckend für dieses Buch. Aber es ist schwer zu adaptieren und auf die Leinwand zu bringen, deshalb bin ich froh, dass wir es geschafft haben und die ersten Reaktionen auf den Film zeigen, dass nicht nur wir das so sehen. Mich hat Amys "The Outrun" sehr bewegt, vielleicht auch ein wenig, weil ich es in der Pandemie gelesen habe – also in einer Zeit, in der sich das Verhältnis von uns allen zur Isolation, zur Einsamkeit, zur Gemeinschaft, zur natürlichen Welt und zur geistigen Gesundheit veränderte.

Nora Fingscheidt erzählte uns, wie eng sie mit Amy zusammengearbeitet hat. Und dass es sich manchmal seltsam anfühlte, wenn sie Amy eine fiktionalisierte Version ihres Lebens zeigte, die ja wiederum sehr reale Auswirkungen auf Amys Leben haben kann, weil natürlich alle, die sie kennen, diesen Film sehen können. Gleichzeitig weiß man, dass die Figur Rona eben nicht 1:1 Amy ist, sondern auch Charaktermerkmale von dir und Nora in sich trägt. Wie denkst du über dieses Verhältnis von Realität und Fiktion und wie war deine Zusammenarbeit mit Amy?
Ich habe mich intensiv mit Amy beraten, vor allem, als es um den Teil des Films ging, der den Weg zur Heilung zeigt – zum Beispiel bei den Therapie-Szenen. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie diese Erfahrung ist. Die Gespräche mit Amy darüber waren sehr ehrlich. Ich konnte sie buchstäblich alles fragen, und sie sprach sehr offen über ihre Emotionen in dieser Zeit. Was die Vermischung von Realität und Fiktion angeht: Ich glaube, irgendwann haben wir diese Momente eher umarmt. Amy ist zum Beispiel auch im Film zu sehen – sie ist eine der Frauen, die mit ihrer Mutter im Meer schwimmen geht. In einer anderen Szene sind ihre Kinder und ihr Mann rechts von mir im Hintergrund zu sehen, wenn der Film auf eine Profilaufnahme von mir zurückschneidet. Wir haben auch eine Aufnahme von ihrem Vater und ein Foto von Amy, das wir später im Film zeigen. Wir wollten also, dass es sich so anfühlt, als ob zwei verschiedene Medien zusammenkommen und verschiedene kreative Kräfte diese eine Geschichte in eine neue Form bringen.

Video kann aufgrund der gewählten Cookie-Einstellungen nicht gezeigt werden.

Du spielst zwar die Hauptrolle, aber die Orkney Inseln mit dieser roughen Schönheit und den mystischen Geschichten wären ebenfalls gute Anwärter auf eine Auszeichnung in der Kategorie "Best Actor in a Supporting Role". Wie hast du diesen Ort wahrgenommen?
Diese Mystische der Orkney Inseln liegt mir sehr nahe. Ich habe irische Wurzeln und bin in Irland groß geworden, mein Mann Jack [Lowden] ist Schotte. Wir haben das ein Stückweit im Blut, weil es Geschichten wie die, die wir im Film hören, natürlich auch in Irland und auf dem schottischen Festland gibt. Aber ich denke, wenn man in dieser Art von Isolation lebt wie auf den Orkney Inseln, bekommen die Vorstellungskraft, die Verbindung zur Natur und die Tatsache, dass die Folklore eine so große Rolle für das Selbstverständnis spielt, eine ganz neue Kraft. Vor dem Buch wusste ich nicht so viel über den Ort, aber Jack hat tatsächlich einige Zeit dort verbracht und mir viel darüber erzählt. Letztendlich versteht man die Orkney Inseln aber erst, wenn man dort hinreist und wirklich sieht, wie isoliert einige Regionen dort sind und wie die Entfernung zum Festland das Leben der Menschen prägt. Auf den kleineren Inseln hat jeder drei Jobs, es gibt viel zu tun, man muss sich zusammen um den Betrieb der Insel kümmern. Dort eine Weile zu drehen, war ein totales Geschenk und Jack und ich wollen unbedingt noch einmal zurück. Nur die Rückkehr nach London war dann ein harter Schnitt. Nach einigen Wochen auf einer Insel, auf der es nur vier Autos gibt, alles sehr langsam läuft und der eine Laden nur vier Stunden am Tag geöffnet hat, kam mir diese große Stadt wie der totale Exzess vor. Ich habe gemerkt, dass es einfach so viel gibt, was wir einfach nicht brauchen im Leben, und das kann einen ganz schön überwältigen. Ich glaube, es hat mehr Überwindung gekostet, mich wieder an das Stadtleben zu gewöhnen, als eine Weile auf der Insel zu leben.

Eine letzte Frage noch: Du und dein Mann seid Co-Produzent*in bei The Outrun. Wie fühlt sich das an, wenn man eben nicht "nur" Hauptdarstellerin ist?
Ich weiß jetzt, wieviel harte Arbeit nötig ist, um überhaupt an den Punkt zu kommen, an dem du eine Hauptdarstellerin sein kannst. Wir hatten so viele stressige Telefonate, so viele Situationen, in denen wir befürchteten, dass wir die Finanzierung nicht auf die Reihe bekommen. Wir hatten zig Meetings, in denen wir Leuten das Projekt schmackhaft machen mussten und hörten etliche Absagen, bis überhaupt mal die erste Zusage kam. Vor Ort muss man in der Produzentinnenrolle dann mit den anderen dafür sorgen, dass die Crew-Mitglieder glücklich sind, dass die Abteilungsleiter zufrieden sind, dass sie das Gefühl haben, kreativ unterstützt zu werden, dass sich die Schauspieler geschützt fühlen. Das lag Jack und mir natürlich besonders am Herzen, da wir durch unseren Schauspielberuf wissen, wie wichtig das ist. Trotzdem ist all die Arbeit letztendlich auch sehr befriedigend – vor allem, wenn man an diesem Punkt angelangt, an dem man den Film mit der Welt teilen kann und in Interviews wie diesem drüber reden kann.

DK

Das könnte Ihnen auch gefallen

Dazu in unserem Magazin

Arthaus Stores

Social Media