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Zum 60. Jubiläum von The Doors: Der Urknall am Venice Beach in Realität und Fiktion

Im Sommer 1965 treffen sich Jim Morrison und Studienkollege Ray Manzarek zufällig am Venice Beach und beschließen eine Band zu gründen, dessen Name Jim Morrison schon im Kopf hatte: The Doors. Wie blicken Oliver Stones Film The Doors, die Doku When You’re Strange und die Band selbst auf diesen nie genau datierten, mystischen Moment?

10. Juli 2025

"Wir müssen den Mythos begründen!" Doors-Keyboarder und Mitbegründer Ray Manzarek ruft diesen Satz geradezu in den Wind, während er neben Jim Morrison am Venice Beach in Los Angeles entlang geht.

Wer hier bereits misstrauisch wird, liegt gar nicht mal so falsch. Diese Szene sieht man nämlich in Oliver Stones Film The Doors aus dem Jahr 1991, und es ist nicht Ray Manzarek selbst, der diesen prophetischen Satz sagt, sondern Kyle MacLachlan als Ray, der hier neben Val Kilmer als Jim Morrison durch den Sand schreitet und die Worte sagt, die Oliver Stone und Randall Jahnson ihm ins Drehbuch geschrieben haben. Wie nah das an der Wahrheit ist? Keine leichte Frage. Aber sagen wir so: Viele Doors-Fans und Rockhistoriker sind der Meinung, Stone hätte sich für seinen Film recht viele Freiheiten genommen.

Aber was weiß man eigentlich wirklich über den nie genau datierten Urknall der Doors? Hier hilft uns die atmosphärische Dokumentation The Doors – When You’re Strange aus dem Jahr 2009 von Tom DiCillo vielleicht eher weiter. Sie bestätigt, dass sich Ray Manzarek und Jim Morrison zufällig im Sommer 1965 am Venice Beach treffen. Im englischen Original der Doku ist es Johnny Depp, der uns berichtet, wie sich Jim Morrison und Manzarek während des Studiums an der UCLA Film School kennenlernten – ein Studium, das laut Manzarek übrigens beide erfolgreich abschlossen, auch wenn der Stone-Film was anderes sagt. Morrison habe ihm nach dem Abschluss eigentlich gesagt, er wolle nach New York gehen, deshalb war Manzarek überrascht, als er Morrison ein paar Wochen nach dem letzten Treffen an der Uni am Strand wiedersah.

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Morrison war tatsächlich wieder in Los Angeles und lebte auf dem Dach seines Kumpels Dennis Jakob. Der hatte nur ein sehr kleines Zimmer in einem Haus, das einen halben Block vom Strand entfernt war, deshalb bot er Jim an, auf dem Dach zu schlafen – immerhin sei ja Sommer und duschen könne er am Strand. Die Dokumentation hat natürlich nicht wirklich Bilder von dieser Zeit und Gegend und erzählt die Begegnung recht knapp.

Trotzdem erschließt sich ihre Bedeutung. In der Doku heißt es, die beiden träfen sich zufällig. Dann sagt der Sprecher: "Jim erzählt davon, dass er Songs schreiben würde. Ray bittet ihn, einen zu singen. Jim zögert, dann singt er ‚Moonlight Drive". Ray ist beeindruckt. Sie beschließen, eine Band zu gründen. Jim hat bereits einen Namen aus einem Gedicht von William Blake ausgewählt." Das Gedicht heißt übrigens "The Marriage Of Heaven and Hell". Morrison liebte vor allem den Part: "If the doors of perception were cleansed every thing would appear to man as it is, Infinite. For man has closed himself up, till he sees all things thro' narrow chinks of his cavern.” Die Metapher "the doors of perception" borgte sich schon der Autor Aldous Huxley 1954 für seinen Essay gleichen Namens.

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Oliver Stone schmückt die Begegnung der beiden natürlich bunter aus. Er zeigt melancholische Strandbilder, labt sich an der Brandung, an den schönen Frauen im Badeanzug und an Val Kilmers Morrison. Jim sieht Ray am Strand sitzen und geht auf ihn zu. Die beiden reden über Filme, namedroppen Godard, bis Jim plötzlich sagt: "Ich mach Schluss mit Film. Ich war draußen in der Wüste und habe mich verirrt. Ich war mit einem Mädchen auf dem Dach, hat ganz schön geknallt."

Ray fragt: "Was hast du sonst noch gemacht?"
"Ich habe geschrieben. Songs, Gedichte, all so was."
"Du schreibst Songs? Lass mal einen hören."
"Nein, das bring ich nicht."
"Sing mir einen vor."
"Ich kann nicht singen."
"Du wirst doch wohl besser singen können als Dylan", lacht Ray und singt betont schief den "Subterranean Homesick Blues" an.
"Schon gut", sagt Jim.
"Los, lass deinen Text hören", drängelt Ray.
Morrison schaut nachdenklich, fingert an dem handgeschriebenen Zettel rum und singt schließlich den Anfang eines Liedes, das als "Moonlight Drive" in die Rockgeschichte eingehen wird.

Oliver Stone genießt diesen Moment. Schneidet immer wieder die Nahaufnahmen der beiden Gesichter gegeneinander. Stille. Dann sagt Ray. "Das ist ein verflucht starker Song Mann."
"Ja?"
"Ja."
"Der ist wirklich von dir? Hast du noch mehr davon?"
"Ja, eine Menge. Es ist, als hätte ich gerade ein ganzes Konzert im Kopf, Mann. Ich sehe das alles vor mir."
"Was ist nur in der Wüste mit dir passiert?"
"Ekstase, Erkenntnis …"
"Gründen wir ne Rock’n’Roll-Band und machen Millionen."

Ein weiterer Satz, der einfach zu gut ist, um wahr zu sein. Danach zeigt Stone die beiden, wie sie an der Brandung entlang gehen und Ray seinen Monolog hält, wie dringend die Welt in all dem Scheiß eine weitere Rockband braucht.

Man könnte jetzt natürlich Oliver Stone vorwerfen, hier ganz offensichtlich einen Mythos zu stricken. Oder vielmehr: einen bereits vorhandenen Mythos in den schönsten Farben auszumalen. Aber wenn man eines aus der Rockgeschichte gelernt hat, dann ja wohl das: Die Mythisierung des eigenen Schaffens bekommen die Musiker:innen schon ganz gut selbst hin. Deshalb hier zum Abschluss noch einmal die Version, wie Ray Manzarek sie zu Lebzeiten in einem Interview erzählt hat – die klingt fast noch ein wenig mythischer. Um nicht zu sagen biblischer …

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DK

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