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John Carpenter wird 75: Danke für die Angst – und den Spaß daran

Am 16. Januar feiert John Carpenter seinen 75. Geburtstag. Eine kleine Hommage an jenen Mann, der die vielleicht gruseligsten und die spaßigsten Horrorfilme des US-Kinos machte.

16. Januar 2023

Der Sänger und Songwriter Thees Uhlmann hat einem anderen großen Angstmacher vor einigen Jahren ein musikalisches Denkmal gesetzt. Über und für Stephen King sang er: "Danke für die Angst / Die mich noch manchmal überkommt / Ist es wirklich sicher / Dass alles wiederkommt?" Wenn ich heute an den Einfluss von Horrorgeschichten auf meine Teenagerjahre denke, fühle ich mich in diesen Zeilen zuhause. Was Stephen King angeht – aber auch, was John Carptenter betrifft. Wobei man für den, der in dieser Woche seinen 75. Geburtstag feiert, noch ein paar Worte anhängen müsste. Danke für die Angst – und den Spaß daran. So würde ich es schreiben.

John Carpenter hat den modernen Horrorfilm geprägt wie kein anderer. Das sind die Sätze, die man als Kritiker schreiben muss. Aber sie klingen hohl und schablonenhaft, wenn man sie nicht in den Kontext der eigenen Angst-Erfahrung setzt. Obwohl Halloween – Die Nacht des Grauens schon im Jahr meiner Geburt die Welt erblickte, war dieser Film neben Tanz der Teufel und Nekromantik meine "Mutprobe" in Sachen Film. Ich kann mich noch jetzt an den Schock erinnern, der mir in die Glieder fuhr, als ich auf dem durchgesessenen Sofa eines Kumpels saß und dem ersten Jumpcut zum Opfer fiel. Mein Kumpel lachte sich halb tot, weil er den Film schon kannte, und ich vor Angst fast heulte. Ich war damals 12 – und natürlich viel zu jung für Michael Myers und sein Messer. Halloween jagte mir die Angst vor dem bösen Mann, der im Dunkeln lauert, ein – und bekam kurz darauf literarische Begleitung im Clownskostüm. Aber John Carpenter schaffte es mit seinem Filmwerk ebenso meine Angst vor diesen Filmen zu nehmen – und die Freude daran zu wecken. Dafür brauchte es Vampire, Sie leben und Die Klapperschlange. Punkige, im zweiten Falle politische, irre Filme, bei denen ich mit meinen Freund:innen vor dem Fernseher saß und wir uns weniger ängstigten als amüsierten. Als ich Jahre später dann endlich Das Ding aus einer anderer Welt sah, wurde mir schließlich bewusst, wie psychologisch und philosophisch seine vermeintlich gruselnden und unterhaltenden Filme bei all dem sein konnten.

Szene aus "Sie leben" © Arthaus / Studiocanal

Szene aus "Sie leben" © Arthaus / Studiocanal

Im Herbst letzten Jahres verdichtete sich meine Liebe zu seinem Werk (er würde verächtlich schnauben, wenn er diese Formulierung lesen würde) noch einmal in einer einzigen Woche. An einem Dienstagabend saß ich in einem kleinen Kino in Zürich in der Spätvorstellung und schaute Halloween Ends von David Gordon Green – unter anderem, weil ich Carpenter am Tag drauf per Zoom über den Soundtrack des Films interviewen sollte, den er mit seinem Sohn und seinem Patensohn aufgenommen hatte. Kurz bevor das Licht ausging, wurde mir bewusst: Ich bin der einzige im Kino! Und obwohl ich ein erwachsener Mann bin und mir heutzutage eher die Nachrichten als Horrorfilme Angst machen, rauschte mir eine Gänsehaut über den Körper als der Film losging. Was nicht an den Bildern lag, sondern an der Halloween-Titelmelodie, diesem harten Piano-Anschlag, dem dunklen Industrialsound, den Carpenter für die neuste Version hinzugefügt hatte. Mit einem Mal fühlte ich mich wieder wie ein verängstigter 12jähriger, der zum ersten Mal in die toten Augen einer weiß bemalten Captain-Kirk-Maske schaut. Der Film, der darauf folgte, nahm mir dann leider die Angst wieder – denn auch Green, der damit seine Trilogie und, Stand jetzt, das komplette Halloween-Franchise beendete, setzte eher auf einen klamaukigen Splatter.

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Am Tag drauf hatte ich schließlich das, nun ja, Vergnügen mit John Carpenter zu zoomen. Sein Sohn Cody begrüßte mich auf dem Bildschirm und überließ dann seinem Vater das Feld. Der wieder seine legendäre "Ich hab nicht so Bock auf Interviews"-Attitüde an den Tag legte. Trotzdem war es ein sehr schönes Gespräch, weil man merkte, dass man hier einem spürbar älter werdenden Mann gegenübersaß, der aber kreativ als Musiker noch immer große Arbeit leistete, seinen Frieden gemacht und sich dabei seinen Humor bewahrt hat.

So sagte Carpenter über den Abschluss der Halloween-Reihe: "Ich fühle mich super. Und damit meine ich: Das damals, 1978, war mein Film. Ich habe da Regie geführt. Jetzt ist es David Gordon Greens Film und es sind seine Ideen. Ich unterstütze seine Ideen. Ich habe keine Besitzansprüche oder Gefühle, die mich umtreiben. Alles super. Jeder will von mir wissen: ‚Was denkst du über den Film? Bist du verärgert?‘ Nein. Da kümmere ich mich gar nicht drum. Ich mache meinen Job." Eine Arbeits-Ethik, die auch seine erstaunliche filmische Schlagzahl erklärt. Filme, bei denen Carpenter oft eben nicht nur Regie führte, sondern auch Drehbuch und Soundtrack lieferte. Trotzdem spürte er später, dass er sich damit übernommen hatte. Die Konsequenz daraus war aber nicht der Rückzug ins Private, sondern der Start einer Musikerkarriere, die ihm viel Respekt verschafft hat. Inzwischen macht er mit seinem Patenkind Daniel Davies und seinem Sohn Cody Carpenter Filmmusik und Instrumentalalben. John Carpenter sagte mir dazu: "Ich habe einfach das Regie-Führen gegen das Aufnehmen von Film-Soundtracks und meinen eigenen Alben eingetauscht. Ich habe nicht mehr diesen fürchterlichen Druck. Filme zu machen ist ein enorm harter Job. Als würde man in einer Braunkohle-Mine schuften. So hart ist es. Es frisst Zeit. Geld. Da ist der Druck, der auf dir lastet. In jeder einzelnen Sekunde. Das hat mich zermürbt. In meinem Fall war es auch noch so, dass ich manchmal das Drehbuch schrieb, den Film inszenierte und am Ende auch noch die Filmmusik machen musste. Ich war also völlig ausgebrannt von der Regiearbeit und habe jahrelang pausiert. Jetzt geht es mir besser. Sehr viel besser."

John Carpenter (Mitte) und seine musikalischen Mitstreiter. © Sacred Bones

John Carpenter (Mitte) und seine musikalischen Mitstreiter. © Sacred Bones

Auch meine Liebe zu seiner Kunst ist frischer denn je. Ich liebe es, seine Musik laufen zu lassen, wenn ich Horrorromane lese. Die dunklen Geschichten von Mariana Enríquez, die Klassiker von Edgar Allan Poe, oder auch die neuen Romane von Stephen King. Noch intensiver ist es allerdings, die Alben seiner "Lost Themes"-Reihe bei einem nächtlichen Spaziergang zu hören. Er nannte sie mal "Soundtracks, zu Filmen, die sich jeder selbst ausdenken muss." Und genau so funktionieren sie. Zu Ehren seines Geburtstags werde ich heute einen solchen Spaziergang machen, die Kopfhörer auf Noise Cancelling stellen und durch das nachbarschaftliche Waldstück laufen.

Als ich Carpenter letztes Jahr im Herbst gestand, dass mir sein Soundtrack mehr Angst machte als Halloween Ends, lachte er trocken und meinte: "Dann habe ich ja meine Aufgabe erfüllt. Das ist meine eine und einzige Aufgabe im Leben: die Menschen zu erschrecken. Entweder mit Bildern oder mit Musik." Das ist ihm immer wieder gelungen – er hat sie dabei aber ebenso begeistert und gut unterhalten.

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