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Kurioses über: Asphalt Cowboy

John Schlesingers Oscar-prämiertes Drama Asphalt Cowboy ist wie sein Entstehungsjahr 1969 Quell vieler verrückter Geschichten und Legenden.

Filmgeschichten/Drehmomente 19. Juli 2019

1969 ist aus vielen Gründen ein besonderes Jahr. Nicht nur wurde damals die erste Mondlandung bestaunt und gefeiert, das Woodstock-Festival ist heute noch genauso legendär. Daneben gehören auch das desaströse Konzert der Rolling Stones in Altamont sowie die Verhaftung der "Hippie"-Family um Charles Manson zum viel zitierten Summer Of Love – der 1969 in Marihuanawolken seinen Höhepunkt und in Blutlachen ein jähes Ende fand. Der herausragende Spielfilm dieses Jahres ist John Schlesingers Asphalt Cowboy. Originaltitel und Grundidee stammen von John Leo Herlihys Roman "Midnight Cowboy", den der britische Regisseur unbedingt auf die Leinwand bringen wollte. Der Einwand, kein US-Studio werde sich für den skandalösen Stoff erwärmen, stachelte Schlesinger nur an. Und mit seiner Geschichte über die Suche nach Liebe und Erfolg in der erbarmungslosen Großstadt traf er den Nerv der Zeit. Ein ganz normaler Schritt für John Schlesinger, ein großer Sprung für "New Hollywood".

Ein Mann braucht einen Hut und die richtigen Referenzen in der Hinterhand. Jon Voight als Joe Buck.

Ein Mann braucht einen Hut und die richtigen Referenzen in der Hinterhand. Jon Voight als Joe Buck.

Einige kuriose Geschichten ranken sich um die Besetzung der beiden Hauptfiguren mit Jon Voight und Dustin Hoffman, deren Performances allein denkwürdig genug sind. Bei den Academy Awards 1970 gingen sie dennoch leer aus. Allerdings wurde Asphalt Cowboy in den Kategorien "Beste Regie", "Bester Film" und "Bestes adaptiertes Drehbuch" ausgezeichnet. Übrigens der erste und letzte Spielfilm, der ursprünglich dieselbe Altersfreigabe wie ein pornografisches Werk und zugleich den Oscar als bester Film erhielt. Das Skript schrieb Waldo Salt, dessen abgehackter New York-Stil damals ganz in Schlesingers Sinn war und auch die Jury überzeugen konnte. Salts Tochter Jennifer legte in der Rolle der Annie einen legendären Filmauftritt hin. Mal von der Einstufung "X-rated" abgesehen, war Asphalt Cowboy somit eine echte Familienangelegenheit. Das Gesamtkunstwerk eines verschworenen Haufens, zu dem auch Produzent Jerome Hellman und Kameramann Adam Holender zählen.

Man(n) muss das Leben und das Glück herausfordern. Bingo! Dustin Hoffman als "Ratso".

Man(n) muss das Leben und das Glück herausfordern. Bingo! Dustin Hoffman als "Ratso".

Dustin Hoffman und Voight gaben alles, um dabei zu sein. Der zwischenzeitliche Riesenerfolg von Die Reifeprüfung mag Hoffman noch bestärkt haben, sich mit unnachahmlichem Körpereinsatz in die Darstellung des Kleingauners "Ratso" Rizzo und damit in den nächsten Skandalfilm zu stürzen. Das legendäre Hinken habe er sich bei der Verfolgung eines humpelnden Mannes in den Straßen von New York abgeschaut – und Schlesinger mitten in der Nacht in character getroffen, um ihn von seinen Qualitäten zu überzeugen, erklärt Hoffman im Interview. Es ist wie viele weitere O-Töne und weiteren Features auf dem Bonusmaterial der jüngsten Blu-ray-Veröffentlichung von Asphalt Cowboy enthalten. Der Star selbst wiederum wählte nach dem Vorsprechen Voight für die Rolle des naiven Südstaaten-Gigolos Joe Buck aus, heißt es da. Zwar habe er keinen Kollegen bevorzugen wollen. Doch musste Hoffman feststellen, dass er beim gemeinsamen Spiel voll auf Jon Voights Joe Buck konzentriert gewesen sei, während er bei den Proben mit den anderen Schauspielern eher auf sich selbst geachtet hätte. Da war die Sache geritzt.

Das Knistern zwischen den Hauptfiguren sorgt letztlich für jene ganz spezielle Stimmung des Films – einen wahrhaftigen und nervenkitzelnden Vibe, der mit "Großstadtromantik" noch vorsichtig umschrieben wäre. Highlight ist die rauschende Party samt Stars aus Warhols Factory, unvergesslicher Soundtrack Harry Nilssons "Everybody`s Talking". Die beste Formulierung liefert im Nachhinein Hauptdarsteller Jon Voight. Er vergleicht Hoffmans Humpeln mit den Bewegungen eines Vogels, dessen Flügel gebrochen ist. Ja, man findet eigentlich kaum eine bessere Beschreibung für das gesamte Jahr 1969, als die Menschheit höher hinaus wollte denn je – für Liebe und Frieden und ein paar Steine vom Mond –, aber immer wieder unsanft mit beiden Beinen auf der Erde landete.

WF

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