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You’ll never get my mind right: Zum 10. Todestag von Amy Winehouse

2015 setzte der Regisseur Asif Kapadia Amy Winehouse mit seiner Doku Amy ein Denkmal und zeigte wundervolle, das Herz wärmende, aber auch tragische Szenen aus ihrem Leben. Heute jährt sich ihr Todestag zum zehnten Mal. Eine persönliche Verneigung vor einer großen Künstlerin – und eine handverlesene Playlist.

Persönliches/Aus gegebenem Anlass

23. Juli 2021

Sie werden heute wohl überall Fotos von Amy Winehouse sehen. Nachrufe lesen. Top-Listen mit ihren größten Erfolgen und ihren größten Skandalen. Texte alter Wegbegleiter, die sich an diese große Sängerin erinnern, die am 23. Juli 2011 im Alter von 27 Jahren viel zu früh verstarb. Und damit ein weiteres Mitglied des tragischen "Club 27" wurde.

Wie auch immer Sie sich heute an Amy Winehouse erinnern mögen, tun Sie mir einen Gefallen: Hören Sie vor allem ihre Musik. Klar, ihr Leben war tragisch, ihr Kampf gegen Süchte und Depressionen verheerend, aber in all dem Schmerz entstanden überirdische Aufnahmen wie diese:

Die Todesmeldung von Amy Winehouse am 23. Juli 2011 ist eine der wenigen, an die ich mich wirklich haargenau erinnern kann. Was vielleicht daran lag, dass ich auch eine schreiben musste. Ich war damals Online-Redakteur des deutschen Rolling Stone. Es war ein Samstag. Und es war natürlich allen klar: Hier ist eine ganze Große tragisch und viel zu früh von uns gegangen. Home-Office gab es damals noch nicht wirklich, auf die Website konnte man nur innerhalb des Büronetzwerks zugreifen. Ich saß zufällig gerade mit meiner Freundin in der Nähe des Büros in einer Bar. Also tranken wir etwas geschockt aus, gingen ins Büro, schrieben die Meldung, mit den spärlichen Informationen, die man hatte, während Redaktions-Urgestein Arne Willander schon an einem ersten Nachruf schrieb (der heute noch lesenswert ist) .

Die Tage darauf waren nicht schön: Man las und schrieb viel über das grandiose, aber eben nicht sehr umfangreiche musikalische Erbe, das sie hinterlassen hat. Aber oft ging es eben auch um den Promillewert zum Zeitpunkt ihres Todes, ihre öffentlichen Abstürze, ihre toxische Verbindung zum On-Off-Ehemann Blake Fielder-Civil. Dass die Presse selbst – vor allem die britische Boulevard-Presse – Amy jahrelang vor sich her trieb und permanent stalkte, wurde dann ganz gerne unter den Teppich gekehrt.

Ich selbst hatte das Glück, Amy Winehouse einmal im Leben live zu sehen und sogar kurz zu "treffen", wenn man die kurze Begegnung, bei der ich meinen Mund nicht aufkriegte, denn so nennen kann. Beides passierte im Sommer 2007. Ich war auf dem "Glastonbury Festival", wo ich ein paar Jahre lang als Bierverkäufer arbeitete. Wetter-technisch war es ein tristes Jahr, es regnete ununterbrochen und man watete vier Tage durch den Matsch. Ein Lichtblick war jedoch Amy Winehouse, die am Festivalfreitag am frühen Abend auf der "Pyramid Stage" spielte:

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"Back To Black'", ihr zweites Album und Meisterwerk, war da schon eine Weile draußen, hatte mich irgendwie aber noch nicht so richtig gepackt. Was vielleicht daran lag, dass ich meine Liebe zu alter und neuer Soulmusik erst ein wenig später entdeckte. Ich glaube heute, sie ist daran nicht ganz unschuldig. Aber vielleicht verkläre ich das auch. Die Show war jedenfalls fantastisch: Amy war erkennbar nervös, aber wenn sie sang, hielt man automatisch die Luft an. Zwischen den Liedern lachte sie immer wieder laut und fluchte wie ein Kesselflicker – was die Live-Übertragung der BBC sicher zum Schwitzen brachte.

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Am Montag drauf kam es dann zur erwähnten Begegnung. Sie passierte in London, in Camden, wenn ich mich richtig erinnere. Ich war mit einer Kollegin und guten Freundin, die auch aus Deutschland angereist war, in die Stadt gefahren, da unsere Flieger nach Deutschland erst am Abend gingen. Wir nutzten diese Zeit, um uns in einem Supermarkt mit britischem Tee und Keksen einzudecken. Während sie einkaufte, "bewachte" ich vor der "Tesco"-Filliale unser Gepäck. Ich muss einen amüsanten Anblick geboten haben. Meine Hose war bis zu den Knien matschbraun, weil ich die letzte halbwegs saubere Hose erst am Flughafen anziehen wollte. Von meine Arbeitsstiefeln bröckelte der Schlamm. Neben mir lag ein Haufen von Wanderrucksäcken, Zelten und Taschen.

Plötzlich hielt auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Taxi. Und Amy Winehouse stieg aus. Sie rief dem Fahrer noch etwas zu, sah mich, blieb stehen und lachte mich laut und herzlich aus. Dann zeigte sie auf meine Stiefel und Rucksäcke und rief: "Ha! Glastonbury, mate?" Ich nickte nur verwirrt und sie rauschte vorbei in den Markt. Als ich noch überlegte, ob dieses charismatische, außerirdische Wesen WIRKLICH Amy Winehouse war, sah ich wie drinnen ein paar junge Frauen durchdrehten und Amy mit ihren Smartphones filmten. Kurz darauf kam Amy wieder aus dem Laden, lachte mir noch einmal zu und rief "Have a safe trip home. Get clean!". In der Hand hielt sie ihre Einkäufe: Kippen und eine Zwei-Liter-Flasche Milch.

Seit diesem Moment hatte ich immer wieder gehofft, sie mal irgendwann interviewen zu können. Was dann leider nie geklappt hat.

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Als 2015 die Dokumentation Amy von Asif Kapadia in die Kinos kam, weckte das mein erneutes Interesse an ihrer Musik. Die Doku ist ein klassischer Kapadia – recht konventionell gebaut, aber beeindruckend, weil er und sein Team einfach immer an Aufnahmen kommen, die man bisher nirgends gesehen hat. Vor allem die privaten Videos, die eine junge Amy auf dem Weg nach London im Auto mit ihrem Kumpel zeigen, brachen einem als Fan noch einmal das Herz. Aber Amy schaffte es für mich, das Augenmerk wieder viel mehr auf ihre Musik zu lenken. Auf das fantastische Debüt "Frank" mit Liedern wie "Fuck Me Pumps" oder "Take The Box". An das von Mark Ronson produzierte Überalbum "Back To Black", der Amys tieftraurigen Trennungs-Lieder mit einer faszinierenden Wall of Sound umgibt – ein Kontrast, der schon die größten Soul-Songs unsterblich gemacht hat. Für mich war das Album ein wenig zum Hipster-Must-Have verkommen, weil man es in jedem "Urban Outfitters"-Laden sah, nun hörte ich es wieder intensiv und lernte es neu lieben.

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Der Titelsong hört sich mit heutigem Wissen geradezu prophetisch an. Dort singt sie zum Schluss: "We only said goodbye with words / I died a hundred times / You go back to her/ And I go back to black." Aber so oft diese Dunkelheit in ihrem Leben auch betont und gezeigt wurde, ich werde Amy immer vor allem herzlich fluchend auf der Bühne und mich freundlich auslachend auf einer Straße in Camden in Erinnerung behalten. Und dabei meinen tieftraurigen Lieblingssongs von ihr hören. "In My Bed" heißt er, und darin singt sie: "You'll never get my mind right / Like two ships passing in the night." Sätze, die einem garantiert beim ein oder andern Text über sie heute auf irgendwelchen Promi-Portalen in den Sinn kommen werden.

Daniel Koch

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