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Bild zu ARTHAUS+ im März: Ein Donnie Darko kommt selten allein

ARTHAUS+ im März: Ein Donnie Darko kommt selten allein

Bewegende Worte von Donnies Freund Frank (dem Typen im Hasenkostüm) – und der freundliche Hinweis auf weitere Programmneuheiten auf unseren ARTHAUS-Channels bei Amazon Prime und Apple TV.

04. März 2022

Wer in einem Hasenkostüm durchs Leben geht, sollte ein richtig dickes Fell haben. Aber was ist schon das richtig dicke Fell eines Hasenkostüms gegen das richtig dicke Fell eines Menschenkostüms? Erst recht, wenn ein Engel darin steckt, dessen Wahrnehmung der Wirklichkeit sich nicht mit der Wahrnehmung seiner Mitmenschen deckt? Ein pubertierender Junge aus Middlesex, Virginia etwa, dessen Eltern ihn zur Therapie schicken und der Pillen schlucken muss, weil er sich seltsam verhält. Vorausgesetzt, seltsam wäre noch der passende Ausdruck für einen Teenager, der schlafwandelt und leerstehende Häuser abfackelt. Für einen überaus intelligenten und widerspenstigen Jungen. Einen Typen wie Donnie Darko.

Es ist alles schon so lange her und scheint doch erst gestern passiert…

"Wach auf, Donnie…" Diese Worte kenne ich nur zu gut, und sie liegen mir jetzt wieder auf der Zunge, ich kann nichts dagegen tun. Erinnerungen sind Zeitreisende, sie wandeln hin und her auf Gottes Pfaden, wobei wir nur ihre Vehikel zu sein scheinen. Ihre Raumschiffe, ihre Zeitkapseln. Es tut mir echt leid, dass mein philosophisches Gestammel so rätselhaft klingt. Aber auch daran kann ich nichts ändern. Ich habe selbst eine Weile geschlafen und bin es auch gar nicht gewohnt, zu vielen Menschen zu sprechen. Ich war schließlich immer nur für eine Person wirklich da. Ich hatte im Leben einen Freund, könnte man sagen, und das war Donnie Darko. Klar, auch wenn er mich nicht besonders gut behandelt hat, ist Donnie doch immer noch mein Freund.

Freundschaft ist vielleicht so etwas wie unser aller "großer weißer Hase"…

© Studiocanal

© Studiocanal

Filmfiguren sind meine besten Freunde, denn ich liebe Filme. Am meisten die Kinoszene aus dem einen Film, den wir alle lieben (sonst wären wir wohl nicht hier)! Da sitze ich mit Donnie und Gretchen im Kino. Es läuft The Evil Dead. Donnie fragt mich, warum ich ein Hasenkostüm trage. Ich frage ihn, warum er ein Menschenkostüm trägt. Wer Freunde hat, die so kluge wie unangenehme Fragen stellen, der braucht halt auch ein richtig dickes Fell, genau wie Menschen, die gar keine Freunde haben. Kennt ihr Mein Freund Harvey mit James Stewart? Einer meiner Lieblingsfilme. Stewart ist so umwerfend als Elwood P. Dowd. Dessen einziger Freund ist ein großer weißer Hase. Harvey. Dieser Harvey misst zwei Meter zehn. Er ist ein Puka, also eine mythische Kreatur. Eine Art Gestaltwechsler, der manchen Menschen in Tierform erscheint.

Der Unterscheid zwischen Elwood P. Dowd und Albert Einstein…

Sorry, aber so komisches Zeug brabbele ich schon die ganze Zeit vor mich hin, seit ich aufgewacht bin – aus unruhigen Träumen. Der Unterschied zwischen Elwood P. Dowd und Albert Einstein…nun, er wird in Henry Kosters Harvey-Film (immerhin von 1950) gut erklärt. Einstein überwand mit wissenschaftlichen Berechnungen Raum und Zeit, Elwood P. Dowd überwand durch seine Freundschaft zum Hasen Harvey, der für alle anderen unsichtbar blieb, gar die Begriffe "Raum" und "Zeit". Sie spielten für Elwood einfach keine Rolle, für ihn zählte nur die Menschlichkeit. Und während seine Mitmenschen Harvey schlussendlich ebenfalls zu sehen glaubten, erkannten sie dadurch vor allem den guten Menschen im verrückten Außenseiter, den sie zuerst hatten "heilen" wollen. Den liebenswerten Elwood P. Dowd. So wie ich Donnie vielleicht geholfen habe, den wahren Donnie Darko zu erkennen. Und euch.

Ich sollte Richard Kelly nicht vergessen. Drew Barrymore, Jake Gyllenhaal…

Ist das alles schon zwanzig Jahre her? Wenn ich die Namen von "Regisseur", "Produzentin" und "Hauptdarsteller" des "Films" jetzt laut ausspreche – die Namen derer, die immer an Donnie und an mich geglaubt haben –, klingen sie wie Echos. Das sind ordentliche Phänomene, die Raum und Zeit hervorbringen. Erinnerungen. Echos. Plötzlich kommt der große weiße Hase und stellt alles in Frage. Dabei gibt es im Film und im Leben immer mehr Fragen als Antworten.

Sind Kelly, Barrymore und Gyllenhaal real oder sind es Figuren? Ist der Hase eine Halluzination, wie es Donnies Therapeutin Dr. Thurman behauptete? Oder waren eher die Verhältnisse, gegen die Donnie sich zur Wehr setzte, bereits jener falsche Film, in dem wir heute noch ganz in echt leben? Ich mag letzteren Gedanken lieber, weil es dann Möglichkeiten gäbe, die Verhältnisse zu ändern. Ich möchte jedenfalls im richtigen Film leben. Und vermute, das bessere Leben beginnt damit, Donnie Darko zu sehen. Immer und immer wieder. Ich werde erst mal den Soundtrack einlegen, das alte Tape in den Kassettenrekorder aus den 80ern schieben.

Wir müssen verstehen, wie man die Zeit bezwingt, Grandma Death…

© Studiocanal

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Zeitreisen. Rätsel der Menschheit. Besser gesagt: totaler Mindfuck. Ich bin ja kaum aus den Federn gekrochen, noch halb am Schlummern. Das Hasenkostüm liegt neben mir wie eine Halloween-Verkleidung von letzter Nacht. Mein Zeitgefühl findet mit "Mad World" einen Anker in der Vergangenheit. Musik kann viel bewirken, Filmmusik sowieso. Aber die größte Kunst ist es, die Sanduhr umzudrehen, wann immer man möchte, und sich auf Gottes Zeitstrahl frei vor- und zurückzubewegen. Die alte Roberta Sparrow hatte es gecheckt, lest mal ihr Buch "The Philosophy Of Time Travel".

Ist Liebe das geeignete Mittel, um die Zeit aus den Fugen zu bringen? Die Geschichte von Donnie und Gretchen ist eine Love Story. Eine Eighties-High-School-Romanze, wie sie im Drehbuch des Lebens steht. Aber dieses Skript hat viele Seiten, und es hat noch mehr Zeilen, zwischen denen noch ganz andere Geschichten stehen (und ja, bei manchen fehlen diesen Seiten leider, da braucht ihr euch nicht wundern). Wer durch Raum und Zeit reist, bewegt sich zwischen den Zeilen der Geschichte. Und damit meine ich die Geschichte der ganzen Welt. Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts? Mein Name ist Frank, ich bin ein Hase, und ich weiß alles. Ach, ich sollte endlich aufstehen. Aber ich bin so groß wie dieser Harvey, und all meine Knochen tun weh.

In 28 Tagen, 6 Stunden, 42 Minuten und 12 Sekunden kommt der Weltuntergang…

Mir fällt ein, dass ich den ja Donnie angekündigt hatte. Es war gut gemeint. Ich war sein einziger Freund, und Donnies Fell war nicht so dick, wie es das richtig dicke Fell eines Außenseiters im Menschenkostüm hätte sein sollen. Er wehrte sich gegen die falschen Wahrheiten der Schule, das schon, und suchte immer und überall die Auseinandersetzung. Aber das Rebellische war nur Ausdruck seiner ungewöhnlichen Sensibilität. Nervenkostüm, ha, das ist ein komisches Wort in dem Zusammenhang. Genau wie Angsthase. Ich wollte ihm auf keinen Fall Angst einjagen.

Was als nächstes kommt und was wir eventuell Wichtiges übersehen haben…

© Studiocanal

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Abgefahrener, spekulativer Kram regt oft zu weiteren Spekulationen an. Vielleicht verfügte Donnie über die seherische Gabe des kleinen Danny aus Stephen Kings "The Shining". Was meint ihr? Der gruselige "Shining"-Junge hatte schließlich auch einen unsichtbaren Freund. Tony. Und am Anfang des Films, las Donnies Mutter da nicht ein Buch von Stephen King? Die Idee mit der Flugzeugturbine. War sie prophetisch, weil kurz darauf Flugzeuge von Terroristen tatsächlich filmreif in die Türme des Word Trade Centers gelenkt wurden? Das war zumindest der Grund, warum man unsere phantastische Geschichte 2001 phantasielos aus den Kinos verbannte.

Gleich schaue ich sie mir noch mal an, die Geschichte, in allen möglichen Versionen, und jedes einzelne Detail wird mir mehr bedeuten als jemals zuvor. Die Schlumpftheorie, "Cellar Door", Graham Greenes "The Destructors". Es sind deine Geister, die uns rufen, um uns am Leben zu halten, Donnie. Dieser Song – längst zum Echo in Raum und Zeit geworden – wird mich sowieso nie ruhig schlafen lassen. Nein, das hatte der gute Rainer Werner Fassbinder mit seinem Spruch "Schlafen kann ich, wenn ich tot bin" nicht bedacht. Schlafen können wir Wesen aus anderen Zeiten und Welten eben nicht mal, wenn wir tot sind.

"And I find it kind of funny/ I find it kind of sad/ The dreams in which I'm dying/ Are the best I've ever had/ I find it hard to tell you/ I find it hard to take/ When people run in circles it's a very, very/ Mad world, mad world…"

Also, wach auf, Donnie! Du fehlst mir. Du fehlst uns allen.

Dein Freund Frank

PS: Und vergiss nicht, das Menschenkostüm mit dem richtig dicken Fell anzuziehen!

PPS: Und denk bitte auch daran, dass du dich als Neuling im Programm von ARTHAUS+ im März in bester Gesellschaft befindest. Diese Highlights kommen mit dir:

Hachiko - Eine wunderbare Freundschaft, Irreversibel, O Brother, Where Art Thou? - Eine Mississippi-Odyssee, Schachnovelle, Delicatessen, Jean-Paul Gaultier: Freak & Chic, Kundun, Louis, das Schlitzohr, Monsieur Klein, Sicario, Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, Live Flesh – Mit Haut und Haar, Mein blühendes Geheimnis

Hier gibt es alle Informationen zu ARTHAUS+ auf Apple TV und hier geht’s zum Channel bei Amazon.

WF

Dazu in unserem Magazin

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