Detailsuche

Bild zu Bill Murray: Ein Ständchen zum 75.

Bill Murray: Ein Ständchen zum 75.

Der ewige Melancholiker von sokratischer Weisheit feiert runden Geburtstag

21. September 2025

Wenn wir seine Festnetz-Nummer hätten, würden wir Bill Murray heute eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen. Angeblich ersetzt der AB seinen Agenten – womit der Begriff des Vorsprechens ad absurdum geführt wird. Wer Bill Murray für seinem Film verpflichten möchte, muss erst mal bei ihm vorsprechen.

Einen Bill Murray kann man sich mittlerweile auch schlecht beim Casting vorstellen. Vielmehr gehört er zu denen, die Rollen auf den Leib geschneidert bekommen. Natürlich hat der Charakterdarsteller aus Chicago, Jahrgang 1950, der Stand jetzt, am Tag seines 75. Geburtstags, einer der größten lebenden Hollywood-Stars ist, mal klein angefangen. Mit mehr als einem halben Dutzend Geschwistern aufgewachsen, schlug er sich so durch, bevor er als Schauspieler richtig einschlug. Ende der 1970er stieß er zum festen Ensemble der Comedy-Show Saturday Night Live, der vorläufige Durchbruch gelang ihm 1984 mit der Rolle des Dr. Peter Venkman aus Ghostbusters – Die Geisterjäger.

Während das retro-futuristische Antischleimkommando der abenteuerlustigen Parapsychologen längst Kultstatus genießt und in diverse Fortsetzungen mündete, folgte 1993 ein moderner Klassiker, der kaum ein schlüssiges Sequel ermöglicht, da er selbst wie ein Kommentar auf die Wiederholungswut der Filmindustrie wirkt. Wobei Harold Ramis' Meisterstück ebenso gut als Metapher für das ganze Leben funktioniert: Und täglich grüßt das Murmeltier.

Video kann aufgrund der gewählten Cookie-Einstellungen nicht gezeigt werden.

Darin konnte Bill Murray im Lauf der Handlung gerade deswegen so richtig aufblühen, weil seiner Figur die vergangene Blütezeit von der ersten Filmszene ins Gesicht geschrieben stand (wofür er mit seiner Mimik und Körpersprache natürlich selbst gesorgt hatte). Den Kapriolen, die das Schicksal dem verbitterten Wetterfrosch Phil Connors spielt, begegnet dieser mit einem Spektrum an Melancholie, die sich immer wieder höchst komisch zuspitzt, was in der urkomischen Szene gipfelt, in der er beim Dating behauptet, Gott zu sein. Voller Überzeugung – und gleichzeitig voller Verzweiflung.

Ein Journalist hatte mal das Pech, dass Bill Murray einen anberaumten Interviewtermin aus Zeitnot absagte – und das Glück, dass er ihr Treffen kurzerhand auf den Bahnsteig verlegte, wo Gott auf seinen Zug wartete. Der perfekte Ort, um sich mit ihm zu unterhalten, scheint er doch dem Reich der Lakonie zu entstammen, in dem ankommende und abfahrende Züge mit derselben Emotion begleitet werden. Ein Kosmos, aus dem Leute wie Jim Jarmusch, Wes Anderson oder Sofia Coppola ihre Geschichten schöpfen. Regisseur*innen, die gerne und erfolgreich mit Bill Murray zusammenarbeite(te)n.

Sometimes it snows on Groundhog Day © © 1993 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved.

Sometimes it snows on Groundhog Day © © 1993 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved.

Denken wir an Lost in Translation, Die Tiefseetaucher oder Broken Flowers und vergegenwärtigen uns den typischen Gesichtsausdruck von Murrays Figuren, die jeder merkwürdigen Idee des Lebens mit würdevoller Skepsis begegnen. Wer könnte den Philosophen Sokrates besser mimen, dessen Weisheit darin bestand, dass er genau wusste, dass er nichts wusste – und dies nicht verheimlichte?

Stellen wir uns also vor, wie Bill Murray mit eben diesen Gesichtsausdruck seinen Blick auf den Anrufbeantworter richtet. Er hört die Messages ab und statt eines Rollenangebots ("Möchten Sie in meinem nächsten Film Sokrates spielen?") erklingt ein ihm wohl bekanntes Ständchen – vielleicht gesungen von einem seiner Dutzend Kinder. "I got you babe". Der eigene runde Geburtstag als Groundhog Day? Das ist so schön absurd … es könnte genau Bill Murrays Humor sein.

WF

Dazu in unserem Magazin

Arthaus Stores

Social Media