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Out of Rosenheim: Erinnerungen an die Dreharbeiten

30 Jahre nach den Dreharbeiten zu Percy Adlons Kultfilm wirft der Regisseur einen Blick zurück auf die Entstehung.

FilmgeschichtenFilmgeschichten/Drehmomente

29. Mai 2019

Mit Out of Rosenheim gelang Percy Adlon 1987 ein Überraschungserfolg, der auch über die deutsche Filmlandschaft hinaus für Aufsehen sorgte. Die charmant inszenierte Geschichte über eine ungewöhnliche Frauenfreundschaft, Fremdheit und den Zusammenstoß zweier gegensätzlicher Kulturen und Charaktere – in Form von Sägebrechts urbayerischer Jasmin Münchgstettner und der übellaunigen kalifornischen Motelbesitzerin Brenda – avancierte in den Achtzigern zum Kultfilm und machte Marianne Sägebrecht international zum Star.

Zum 30-jährigen Jubiläum des Film wirft der Regisseur in einer Jubiläumsedition einen Blick zurück auf die Dreharbeiten - und das gleich in Schrift und Bewegtbild. Ein umfangreiches Booklet enthält Auszüge aus dem Produktionstagebuch des Regisseurs und zeichnet damit die Entstehungsgeschichte des Films von der ersten Drehbuchidee bis zur Uraufführung nach - inklusive Sinnkrisen, der Suche nach der richtigen Brenda und Marianne Sägebrechts ersten Versuchen als Zauberkünstlerin.

17. September 1986

"Lost & Found" oder "Rosenheim ist weit"
Heute haben Mele und ich uns an unseren weißen, ovalen Esstisch gesetzt, wo wir all die Jahre mit unseren Kindern gegessen haben, unsere Arbeit diskutiert, Haydn gehört, Comedian Harmonists, Marlene Dietrich, Johann Strauß oder Beethovens Streichquartette, und begannen unser neues Drehbuch umgeben von grünen Wiesen mit den Bauern auf ihren Bulldogs. Wir beobachten das bayrische Ehepaar Münchgstettner, beide so um die 40, auf einem Rastplatz irgendwo zwischen Disneyland und Las Vegas, wie sie ihren letzten Ehekrach austragen, bis Jasmin einen der beiden identischen Koffer mit ihren Initialen J.M. aus dem Kofferraum hievt, sein Lufthansa Ticket und Pass ins Auto schmeißt, und in der Mittagswüstenhitze in ihrem schweren Loden und Federhut mit ihren Blockabsätzen durch den Sand zur Straße stampft. Hinter ihr lässt ihr Gatte den großen Motor des Lincoln Towncars wütend aufheulen.

28. September
Brenda fährt in die Stadt. Jasmin macht sie sich an die Entrümpelung von Brendas Büro. Schmeißt raus, was dreckig ist. Also eigentlich fast alles. Debbie, die stumme Tätowierungslady, liebt Konflikte. Ein fieser Triumph steht in ihrem Gesicht, wie sie Jasmin beobachtet. Kann es nicht erwarten, dass Brenda explodiert.
Jasmin kann sich nicht mehr bremsen. Will am liebsten den Wasserturm putzen.
Brenda, vor ihrem „leeren“ Büro, will Jasmin erschießen.

5. Oktober
...und drinnen im Café zündet die große Show. Brenda und Jasmin in Auf-dem-Weg-nach-Las-Vegas-Tuxedos, wie Laurel und Hardy in einer Transvestiten-Show.
Gleich am nächsten Morgen, bevor die Sonne aufgeht, sehen wir Rudi Cox von seinem Trailer über den steinigen Sandplatz gehen. Rudi Cox als Freier. Auf jede seiner Fragen antwortet Jasmin, die in ihrem Nachthemd vor ihm steht: "Ja." "Ja." "Ja." "Ja." "Ja."
Aber auf seine letzte Frage "Willst du meine Frau werden, Jasmin?", antwortet sie nicht mit ja. Sie schaut ihn sehr lieb und fast ein wenig mitleidig an: "Ich werd‘s mit Brenda besprechen."

Schnitt. Schluss. Aus. Titel.

Gesamte Schreibzeit: 17. September bis heute. Das sind 19 Tage, davon vier Ruhetage.

Dreams of travel! Child is flying in cardboard box with air balloons. © STUDIOCANAL

Dreams of travel! Child is flying in cardboard box with air balloons. © STUDIOCANAL

16. März 1987
1. Drehtag
Im Office. Brenda: “What can I do for you?”
Jasmin: "A room."
Wüstenzuschauer und solche, die sich als Helfer und Komparsen anbieten.

Todmüde falle ich danach ins Auto und schlafe ein, bevor Mele den Highway erreicht.


19. März
4. Drehtag. Leben im Hurrikan – einem eiskalten, ständig schiebenden, mit atemberaubenden Böen durchsetztem Wüstenwind, der uns täglich zehn Stunden lang durchrüttelt.


Krach mit dem Produktionsbüro, weil keine Toiletten am Set sind. Irgendjemand muss gefeuert werden und unser Llewellen übernimmt die Führung, nur noch überwacht von Mele.


23. März
Unerwartet und plötzlich überfällt mich der Stress! Jack Palance packt mich bei den Unterarmen und sagt, wenn ich nicht aufhöre zu quatschen, dann ginge er einfach mal um den Block. Ich verstehe ihn. Mir fallen manchmal in der Anstrengung englische Wörter nicht ein, und ihm fallen seine Sätze nicht ein. Das muss er irgendwie kompensieren. Es ist sein erster Drehtag.

26. März
Wundervoller Drehtag. Die Kälte ist vorbei. Weiche Luft über der Wüste.


30. März

Heute war ich kein guter Regisseur. Die Sonne auf dem Sandplatz hat alles aus meinem Schädel gebrannt. Helenka kann mir die Grundarrangements vom Hals schaffen, aber den letzten Schliff kann nur ich. Ran!


Im 24-minütigen Bonusfeature The Trip to Bagdad kehrt Adlon gemeinsam mit seiner Frau und Co-Autorin & Produzentin Eleonore Adlon und seinen drei Enkelinnen Gideon, Odessa und Rocky Adlon zurück an die Drehorte und dem mittlerweile weltberühmten Bagdad Café in Newberry Springs an der Route 66. Ein Kameramann begleitet diesen ganz besonderen Familienausflug und fängt die Geschichten und Erinnerungen des Regisseurs an den atmosphärischen Wüstendreh ein, die zauberhaft ergänzt werden durch den neugierig-frischen Blick einer neuen Generation der Familie Adlon - eine liebevolle und persönliche Erinnerung des Filmemachers.

sk

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