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Salmonberries: Liebe, wie sie nicht im Buche steht

Kostenlos auf YouTube: Percy Adlon erzählt von der komplexen Beziehung zweier Frauen in aufregenden Zeiten.

15. Februar 2024

Das unorthodoxe Kino des Percy Adlon hat einige denkwürdige Figuren hervorgebracht, die sich in den Filmen des 1935 geborenen Regisseurs, Drehbuchautors und Produzenten auf ihre je spezifische Weise Räume schaffen und zugleich die Herzen des Publikums erobern. Wir denken natürlich an Marianne Sägebrecht in Out of Rosenheim oder Rosalie Goes Shopping und an den Lagerverwalter Donald Sutherland in Younger & Younger. Für das Drama mit dem schönen Titel Salmonberries fand Adlon 1991 abermals Darsteller*innen, die sich in den außergewöhnlichen Settings seiner Produktionen mitreißend zu bewegen verstehen – egal, ob sie dabei leise oder laute Töne anschlagen. Adlon beweist auch wieder sein Faible für archivartige Orte, die Realitätsnahes in komprimierter Form enthalten. In diesem Fall ist es eine Bücherei am – Verzeihung – Arsch der Welt.

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Und die erste Figur, die in Salmonberries auftaucht, hält sich selbstverständlich nicht ans ungeschriebene Gesetz, in einem solchen Etablissement möglichst wenig zu reden – nicht in einem Film von Percy Adlon! Nein, der Typ quatscht wie ein Wasserfall, womöglich ist es der einzige Ort, an dem er es tut, denn daheim vertieft sich dieser Stammkunde der Bücherei in die Schinken, die er sich dort täglich ausleiht. Schließlich einigt sich der redselige Bücherwurm mit der latent genervten Bibliothekarin (wenn auch längst nicht so enerviert vom Tagesgeschäft wie der aus der britischen Serie Black Books bekannte Buchladenbetreiber Bernard) zumindest darauf, dass "Madame Bovary" zu den schönsten Büchern überhaupt zählt, bevor er die Bühne, also den Laden, einer zweiten Person überlässt, die offenbar schon die ganze Zeit zugegen gewesen ist, jedoch erst jetzt sichtbar auf den Plan tritt. Es handelt sich um eine von der Musikerin k.d. lang verkörperte junge, androgyne Frau, die den Büchern zunächst nicht den angemessenen Respekt zollt und sie stattdessen einfach durch die Gegend wirft. Die Anspielung auf Menschen, deren Verhalten Büchern gegenüber auf ihr Verhalten anderen Menschen gegenüber schließen lässt, ist für einen deutschen Regisseur des Jahrhangs 35 sicher auch eine Art der Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit, die derart in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass sie sich in derart kleinen Details mit großer Eindrücklichkeit äußert. Ganz davon abgesehen legt die junge Dame ein provokantes Verhalten an den Tag, wie man es von einer Pubertierenden oder einer Verliebten erwarten würde. Ein Verhalten, das Bibliothekarin Roswitha, gespielt von Rosel Zech, nicht kalt lassen kann. Aus dem kalten Alaska reisen die beiden bald gemeinsam ins Berlin der Wendezeit, aus dem Roswitha sich einst auf den Weg in den Norden gemacht hatte. Eine Art Liebestrip übers Schmelzwasser des Kalten Kriegs. Adlon erzählt eine Geschichte, die ähnlich wie die Wirklichkeit der historischen Ära Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre traumartige Sequenzen enthält. Ein Bingoabend mit den Ureinwohnern Alaskas gehört zu den phantastischsten Momenten des Films.

WF

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