Elizabeth "Lizzie" Bennett hat ihren Platz im Kanon der bekanntesten Figuren der Literaturgeschichte schon lange sicher. 1813 lernte die Welt Lizzie kennen, als Jane Austen ihren bis heute bekanntesten Roman "Stolz und Vorurteil" veröffentlichte. Auch Austen wusste, dass Lizzie mit ihrer Schlagfertigkeit, ihrer Intelligenz, ihren Rededuellen mit Mr. Darcy und ihrer – wie sie selbst sagt –"Dickköpfigkeit" etwas Besonderes ist. "Ich muss gestehen, dass ich sie für eine der reizendsten Figuren halte, die je zwischen zwei Buchdeckel gedruckt wurde", sagte Austen einmal. "Und ich weiß nicht, wie ich diejenigen ertragen soll, die sie nicht zumindest mögen."
Wer die Rolle der Lizzie übernimmt, misst sich aber nicht nur mit ihrem ikonischen Standing in der Weltliteratur, sondern auch mit zahlreichen Kolleginnen, die diese Rolle ebenfalls übernahmen. Bevor Joe Wright 2005 seinen Take auf den Roman lieferte und in die Kinos brachte, gab es allein bei der BBC fünf mehrteilige Serien – die letzte, 1995 ausgestrahlt, mit Jennifer Ehle als Lizzie und Colin Firth als Mr. Darcy. Außerdem gibt es einen Fernsehfilm aus dem Jahr 1938 mit Curigwen Lewis und einen US-Kinofilm mit Greer Garson und Laurence Olivier. Zählt man die Filme hinzu, die lose auf Austens Story basieren, muss man Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück (2001) nennen. Oder das Bollywood-Drama Bride & Prejudice – Liebe lieber indisch. Oder den sehr unterhaltsamen Stolz und Vorurteil und Zombies aus dem Jahr 2015, in dem Lily James eine wahrlich schlagfertige Elizabeth Bennet gibt, während sich auch Sam Riley als Mr. Darcy wacker schlägt.
Keira Knightley war gerade 19 Jahre alt, als die Dreharbeiten zu ihrer Version von Stolz und Vorurteil begannen. Aber trotz ihres so jungen Alters war sie schon damals beim Kino-Publikum bekannt und beliebt – außerdem stand sie bereits seit ihrem achten Lebensjahr regelmäßig vor der Kamera. Es waren vor allem ihre Rollen im Thriller The Hole, in der Fußball-Komödie Kick It Like Beckham, in Fluch der Karibik (als eine weitere Elizabeth) und ihre etwas zu platt geschriebene Rolle im Episodenfilm Tatsächlich… Liebe, die Knightley früh aber verdient zum Star gemacht hatten.
Trotzdem war Lizzie eine Herausforderung: Nicht nur, dass diese Romanfigur heißgeliebt ist und man mit Projektionen und Erwartungen der Buchfans zu kämpfen hat – es ist auch eine Rolle, die in fast jeder Minute die komplette Story tragen muss. Als sich Keira Knightley und Rosamunde Pike, die Lizzies ältere Schwester Jane spielt, kürzlich für ein Interviewformat des Magazins Vanity Fair trafen, um über 20 Jahre Stolz & Vorurteil zu sprechen, sagte Pike zu ihr: "Du hattest eine unglaubliche Arbeitsmoral. Wenn ich daran denke, was du mit 19 da auf deinen Schultern tragen musstest. Hast du eigentlich dafür deinem 19jährigen Ich nachträglich mal auf die Schultern geklopft? Lizzie zu spielen ist eine völlig andere Erfahrung, als Jane zu sein. Als Jane hast du vielleicht eine Szene am Tag oder auch mal drehfrei – aber als Lizzie hast du niemals frei. Du musst von morgens bis nachts am Start sein."
Aber Keira Knightley war mehr als gewillt, sich dieser Herausforderung zu stellen. Auch wenn sie zunächst Angst davor hatte, sich an den wichtigsten Charakter ihres Lieblingsbuches zu wagen . Das sagte sie in zahlreichen Interviews zum Kinostart vor zwanzig Jahren. Dem "Leeds Guide" sagte sie zum Beispiel: "Ich halte sie für eine der besten Rollen in der Literatur, daher lastet ein enormer Druck auf mir. Es ist beängstigend, denn wenn man Stolz und Vorurteil liest, hat man das Gefühl, sie zu besitzen. Mir ging es jedenfalls so. Jeder hat eine ganz klare Vorstellung davon, wer Elizabeth Bennett ist. Das ist beängstigend, aber auch eine wirklich spannende Herausforderung." Außerdem gibt sie zu: "Es ist ein Buch, das mich seit meinem siebten Lebensjahr fasziniert, daher war die Gelegenheit, Elisabeth Bennett zu spielen, ein wahr gewordener Traum. Ich habe mich sofort darauf gestürzt."
Regisseur Joe Wright war ebenfalls schnell überzeugt, dass Knightley diese Rolle mit neuem Leben füllen könnte und der Herausforderung gewachsen ist. Vielleicht lag es daran, dass auch er ein vergleichsweise junges Talent war, das sich mit diesem Stoff beweisen musste. Der 1972 geborene Brite hatte Stolz und Vorurteil nämlich für sein Kinodebüt gewählt – allerdings nicht, weil er das Buch kannte oder gar liebte. Eher im Gegenteil. In einem Jubiläumsinterview mit dem Magazin "Harpaars Bazaar" erzählte er, dass seine Produzenten mit dem Stoff angekommen waren. "Ich las damals eher Charles Bukowski, und Jane Austen war für mich wirklich eine Art Schock. Ich war schockiert, wie modern, spannend und lebendig mir das Buch erschien. Ich hatte das Gefühl, etwas verpasst zu haben, und war erstaunt, wie jung Jane Austen war, als sie das Buch schrieb – sie war 21, als sie den ersten Entwurf schrieb – und wie jung die Figuren waren."
Das Elizabeth Bennet im Buch erst 18 war, also fast gleichaltrig mit Keira Knightley zu der Zeit, sei – so Wright – seine "erste und wichtigste Idee" gewesen. "Ich ging zur Produktionsfirma Working Title mit der Idee, dass Elizabeth 18 sein und von einer 18-Jährigen gespielt werden sollte. Es handelte sich um sehr junge Menschen, die sich zum ersten Mal verliebten." Die Arbeit mit Keira Knightley lief dann so gut, dass die den Auftakt zu einer langjährigen Verbindung bildete: Wright sollte später mit ihr noch Abbitte und Anna Karenina drehen. Ironischerweise könnte man an dieser Stelle eine Parallele zur Verbindung zwischen Lizzie und Mr. Darcy ziehen, denn – ähnlich wie bei den beiden Buchcharakteren – lief das erste Treffen zwischen ihnen eher suboptimal. "Wir hassten uns", sagte Knightley in diesem Interview – allerding mit einem Lächeln im Gesicht:
20 Jahre nach der Kinopremiere, noch einmal Stolz und Vorurteil zu sehen, ist immer noch ein großes Vergnügen. Der Cast ist aus heutiger Sicht noch ein wenig spektakulärer; Knightleys Gespür für Mimik, Timing, Betonung und Empathie ist preiswürdig und einnehmend; einzelne Szenen sind geradezu ikonisch (zum Beispiel DER Streit, der fast – aber nur fast – in einem Kuss mündet); der Film hat Rhythmus, Witz und Drama; die Landschaften, Kulissen und Kostüme sind wundervoll; und vor allem spürt man in jeder Sekunde, dass diese Produktion für alle Beteiligten etwas Besonderes war.
So erinnern sich auch Pike und Knightley in ihrem gemeinsamen Interview an einen besonderen Zusammenhalt. Als Knightley und Matthew Matthew Macfadyen als Mr. Darcy morgens zwischen 3 und 4 Uhr zum Dreh des Happy Ends (bei Austen-Romanen braucht es ja hoffentlich keine Spoiler Warnings in dieser Hinsicht) antraten, hatte sich fast die gesamte Crew – auch der Teil, der eigentlich nicht arbeiten musste – aus dem Bett gequält, um dem Dreh dieser Szene beizuwohnen. Ein Herz wärmender Funfact, den man schon zu wissen glaubte, als man die Szene zum ersten Mal gesehen hatte.
DK