Filmkritiker*innen sind sich nicht oft einig, aber wenn sie ein Ranking aufstellen müssten über die Top 3 der besten Dokumentation über das Filmemachen, würden viele diese drei nennen: Die Last der Träume über den Dreh von Fitzcarraldo, Lost in La Mancha über den gescheiterten The Man Who Killed Don Quixote und eben: Hearts of Darkness – Reise ins Herz der Finsternis über den dramatischen Weg zum Meisterwerk Apokalypse Now.
Das sind auch exakt die drei Filme, die Francis Ford Coppola im Interview mit "STUDIOCANAL Presents – The Podcast" nennt. "Und einer dieser Filme ist bekanntlich von meiner Frau – und darauf bin ich unendlich stolz."
Im von Podcast-Host Simon Brew präsentierten Interview, das vor einigen Tagen London stattfand, spricht Coppola recht ausführlich und bisweilen sehr rührend über seine im April letzten Jahres verstorbene Frau. Ihre Stimme, ihre Texte, ihre aufgezeichneten Gespräche mit ihrem Ehemann und vor allem ihr mit einer Handkamera gedrehtes Behind-the-Scenes-Footage sind das Herzstück von Hearts of Darkness – Reise ins Herz der Finsternis, auch wenn George Hickenlooper und Fax Bahr hier nicht unerwähnt bleiben sollten, die den Film im Schnitt später in Form brachten.
Francis Ford Coppola erklärt im Gespräch, wie es überhaupt zustande kam, dass seine Frau diese Bilder und Gespräche filmen konnte. "Ich hatte eine Regel, weil ich ja diese wunderbaren Kinder hatte: Wenn ich länger als zehn Tage weg war, nahm ich alle meine Kinder aus der Schule und mit zum Dreh, wohin auch immer ich ging." Selbst, wenn man dafür auf die Philippinen reiste. Für die Kinder sei das großartig gewesen, sagt Coppola. "In der Crew waren viele tolle Menschen, die sich wie Ersatz-Onkel und -Tanten um sie kümmerten." Sohn Roman hätte sich immer beim Special Effects Team rumgetrieben und sei schon mal mit einem aus dem Kopf hängenden Auge zum Dinner gekommen. Die kleine Sophia wiederum ließ sich einmal von den Austatter*innen ein Katzenkostüm nähen.
Coppola sorgte sich aber auch, dass sich seine Frau Eleanor langweilen könnte. "Sie hatte viele eigene Projekte, ließ ihre Freunde zurück – also überlegte ich mir, sie auf kreative Weise beschäftigen zu können. Sie war eine tolle Fotografin und konnte auch gut mit einer Handkamera umgehen. Also habe ich ihr eine 16mm-Handkamera gekauft und sie gebeten, eine Dokumentation für meine eigene Produktionsfirma zu drehen."
Das Ehepaar Coppola. © Studiocanal
Da wussten sie natürlich noch nicht, was für ein Drama die beiden erwartete. "Es war eine ziemlich ungewöhnliche Situation", so Coppola. Obwohl er den Erfolg von Der Pate Teil 1 und Teil 2 im Rücke hatte, habe niemand einen Film über Vietnam finanzieren wollen. Also ging er ins finanzielle Risiko und riss schnell sämtliche Budgetgrenzen. "Ich drehte also nicht nur einen Film, von dem ich keine Ahnung hatte, wie man ihn macht, sondern musste auch noch das Budget dafür aufbringen." Jeden Abend sei er nach Hause gekommen, habe laut und lange gehadert und an seinem eigenen Schaffen gezweifelt. "Ich hoffte, sie würde mich aufbauen und sagen: ‚Oh Schatz, ich glaube an dich!‘ Aber stattdessen sagte sie: ‚Wärst du einverstanden, wenn ich die Kamera aufstelle und du das genauso noch mal in die Kamera sagst?‘" Francis Ford Coppola lacht im Interview sehr liebevoll bei dieser Erinnerung.
Überhaupt störte es ihn nicht, dass die Dokumentation so eine persönliche Note bekam. Eher im Gegenteil: Er habe sich sicher gefühlt, auch weil er mit seiner Produktionsfirma American Zoetrope volle Kontrolle über das Projekt hatte. Außerdem sagt er: "Mein Anspruch beim Erschaffen von Kunst ist: Mach es so persönlich wie möglich. Wenn du Kunst schaffst, die wirklich persönlich ist, wird sie einzigartig sein." Im Falle dieser Dokumentation wollte er vor allem: "ehrlich sein". Er habe weder die Probleme noch die bedenklichen Phasen der Dreharbeiten, noch das eigene Zweifeln verschleiern wollen.
Mood.
Das mit der Ehrlichkeit nahm sich Francis Ford Coppola auch bei diesem Interview zu Herzen. Auf die Frage, wie er heute auf einige dieser sehr intensiven Szenen schaue, gibt er zu, dass er tatsächlich eine Szene aus der Dokumentation habe streichen lassen. Dabei ging es um den Herzinfarkt von Martin Sheen, der bei dessem morgendlichen Workout passierte. In der Dokumentation sind dieser kritische Moment und seine Folgen zwar ausführlich Thema, aber Coppola habe vor allem eine Aussage streichen lassen. Am Set sei von ihm einmal der wütenden Satz gefallen: "Martin Sheen ist erst gestorben, wenn ich euch sage, dass er gestorben ist."
Coppola meint: "Das klang so hart. Als wenn ich mich nicht um ihn gesorgt hätte. Und das stimmt nicht. Das Gegenteil war der Fall." Aber er habe in einer sehr verfahrenen Situation gesteckt. Crewmitglieder hätten ihren Freund*innen und Familien zuhause am Telefon erzählt, dass Sheen einen Herzinfarkt gehabt hätte und man nicht wisse, ob er überleben würde. Hätte sich also in Hollywood herumgesprochen, dass Sheen in Lebensgefahr schwebe, hätte sich die Produktionsfirma, die seine Anfangsfinanzierung stellte, zurückgezogen und die Versicherungsprämie kassiert. Martin Sheen hätte dann vermutlich auch nie wieder drehen können, weil niemand einen Film mit ihm versichert hätte. Also habe Coppola, in enger Abstimmung mit Sheens Frau, die Dreharbeite ohne ihn weiterlaufen lassen und dafür gesorgt, dass Sheen in eines der besten Krankenhäuser der Welt gekommen sei.
Auch Martin Sheen blickt in der Dokumentation zurück auf die dramatischen Wochen. © Studiocanal
Wie man in aus Hearts of Darkness – Reise ins Herz der Finsternis weiß, kehrte Sheen nach drei Wochen gesund zurück und man konnte wieder Szenen mit ihm drehen. "Dieser harte Satz war also nur der Ausdruck meiner Sorge, dass mir die Gerüchte entgleiten und plötzlich jemand schreibt, Martin Sheen sei bei den Dreharbeiten von Apocalypse Now gestorben. Aber das wäre in der Dokumentation schwer zu vermitteln gewesen." Wie sehr er unter Druck stand, wird im Film trotzdem deutlich: In einer Szene hören wir, wie Coppola am Telefon ein Crew-Mitglied zusammenstaucht, keine Gerüchte zu verbreiten.
Am Ende des Podcast-Gesprächs findet Francis Ford Coppola noch sehr rührende Worte über seine verstorbene Frau, die wir hier nicht vorenthalten wollen: "Ich kenne niemanden, der sie nicht liebte. Wenn jemand krank war oder im Sterben lag, war sie da und hielt ihm oder ihr die Hand und spendete Trost." Dass er hier in London Interviews gäbe, läge auch daran, dass er gerade nicht an Orten sein möchte, an denen er Zeit mit ihr verbrachte. "Weil ich sie so vermisse. Ich merke dann, dass ich keinen Kaffee mehr mit ihr trinken kann und ihr nicht zuhören kann, wenn sie mir von ihrem Tag erzählt."
Aber Coppola befolge dafür einen Rat des großen Philosophen Marcus Aurelius. "Der hat gesagt: ‚Wenn man einen geliebten Menschen verliert, ist das Beste, was man tun kann, um ihn zu ehren, ein bisschen mehr zu sein wie dieser Mensch.‘" Deshalb erfülle Coppola jetzt ein wenig die Rolle seiner Frau, kümmere sich um ältere Freund*innen von ihnen, denen es vielleicht nicht gut geht, oder die einsam seien, weil sie keine Enkelkinder hätten. "Ich war nie der Typ, der so was gut hinkriegt, aber indem ich ein wenig wie sie bin, habe ich das Gefühl, sie sei immer noch in meinen Leben. Was sie leider nicht ist."
Hearts of Darkness – Reise ins Herz der Finsternis ist ab sofort in 4K restauriert erhältlich.
DK