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Ein trauriges Rätsel: Die Schachnovelle und ihre Verfilmung von Philipp Stölzl

Am Mittwoch vor 80 Jahren verstarb der Schriftsteller Stefan Zweig im brasilianischen Exil. Sein letztes und zugleich bekanntestes Werk Die Schachnovelle wurde 2021 von Philipp Stölzl in einen dramatischen Film übersetzt. Stölzl faszinierte vor allem die Traurigkeit und das Rätselhafte der Geschichte.

Filmgeschichten/Drehmomente 22. Februar 2022

Stefan Zweigs Leben, seine Geschichten und sein selbst gewählter Tod am 23. Februar 1942 üben seit jeher eine bleibende Faszination aus. Das liegt vor allem an seiner letzten und erfolgreichsten Geschichte Die Schachnovelle. Ein schmales Buch, voller psychologischer Untiefen, eng verwoben mit Stefan Zweigs Lebensgeschichte. Der gebürtige Österreicher und erklärte Pazifist Zweig geriet schnell ins Visier der Nationalsozialisten. Als sein Haus im Februar 1934 durchsucht wurde, weil man Zweig unterstellt hatte, Waffen für die Gegner der austrofaschistischen Regierung zu verstecken, beschloss er nur zwei Tage später nach London zu emigrieren. Zweigs Bücher landeten in den Jahren darauf erst auf der Liste der Bücherverbrennungen und 1935 in der Liste der verbotenen Autoren. Stefan Zweig nahm zu Beginn des Zweiten Weltkriegs die britische Staatsbürgerschaft an, fürchtete jedoch weiterhin, die Engländer würden vielleicht irgendwann im Verlaufe des Krieges nicht mehr zwischen Österreichern und Deutschen unterscheiden und ihn als "enemy alien" internieren.

Dr. B. bzw. Dr. Bartok (Oliver Masucci ) in Haft © Studiocanal /Walker + Worm Film/ Julia Terjung

Dr. B. bzw. Dr. Bartok (Oliver Masucci ) in Haft © Studiocanal /Walker + Worm Film/ Julia Terjung

Über die Stationen New York, Argentinien und Paraguay erreichte Stefan Zweig 1940 Brasilien. In den Folgejahren schrieb er unter den Eindrücken des Exil-Lebens und er langen Reise, inmitten depressiver Episoden Die Schachnovelle. Sie spielt vordergründig an Bord eines Passagierdampfers von New York nach Buenos Aires. Der Ich-Erzähler, ein österreichischer Emigrant, versucht an Bord den mitreisenden amtieren Schachweltmeister Mirko Czentovic anzusprechen. Czentovic wird später für ein Honorar gegen einige Mitreisende Schach spielen und dabei gegen den rätselhaften Dr. B. verlieren. Dieser berichtet dem Ich-Erzähler später aus seinem Leben: Er wurde in den 30er-Jahren von den Faschisten inhaftiert und gefoltert. Um nicht den Verstand zu verlieren, lernte Dr. B. ein Buch mit einer Sammlung berühmter Schachpartien auswendig und spielte gegen sich selbst. Diese Schachduelle auf dem Schiff triggern am Ende des Buches bei Dr. B. traumatischen Erinnerungen an seine Haftzeit.

Die Schachnovelle von Stefan Zweig sollte erst nach seinem Suizid mit einer Überdosis Veronal in Petrópolis, rund 50 Kilometer von Rio de Janeiro, veröffentlicht werden: Im September 1942 in portugiesischer Übersetzung und am 7. Dezember 1942 in limitierter Auflage von 300 Exemplare im deutschen Original bei einem Verlag in Buenos Aires.

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Die Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader, die Stefan Zweigs Leben vor einigen Jahren in Vor der Morgenröte verfilmte, sagte 2016 über die letzten Jahre des Autors sehr treffend: "Ich habe das Gefühl, dass Stefan Zweig am Ende seines Lebens zu einer fast literarischen Figur geworden war, an der sich die Problematik des Exils besonders deutlich zeigte. Er hat z.B. nicht die Nähe seiner Schicksalsgenossinnen und Schicksalsgenossen gesucht, sondern flüchtete immer wieder aus den Metropolen. Er ist nicht in London geblieben, sondern nach Bath gezogen. Er ging von New York nach New Haven und hat schließlich Petrópolis Rio vorgezogen. Das heißt: Die Einsamkeit in der Fremde zeigte sich ihm vielleicht noch gewaltiger als vielen anderen Exilanten."

Im vergangenen Jahr kam dann die Verfilmung der Schachnovelle von Philipp Stölzl in die Kinos und erscheint in dieser Woche nun digital. Stölzl habe vor allem fasziniert, wie "rätselhaft" und "traumartig" die Geschichte sei, und dabei durchzogen von einer spürbaren Traurigkeit. Im Interview mit dem Stadtmagazin "tip Berlin" sagte der Regisseur: "Das Tolle an der ‚Schachnovelle‘ ist ja, dass es sich um eine ziemlich rätselhafte Geschichte handelt. Sie erzählt nicht einfach Eins zu Eins von Furcht und Elend im Dritten Reich. Mich erinnert das ein bisschen an Kafka: ein nüchtern geschilderter beklemmender Albtraum. Für mich ist der Schlüssel zum Verständnis der ‚Schachnovelle‘, dass Stefan Zweig zu dem Zeitpunkt, als er sie schrieb nicht wusste, wie das alles ausgehen würde. Es war ja noch nicht klar, ob nicht ein Zeitalter der Finsternis und Gemeinheit über uns hereinbrechen würde." In einem weiteren Interview sagte Stölzl, die Novelle gehöre "meinem Gefühl nach zu der Sorte Literatur, die sich in die Seele eingräbt." Eine treffende Metapher, für die er in seinem Film die passenden Bilder findet.

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Während die Verfilmung von Gerd Oswald mit Curd Jürgens und Mario Adorf noch recht nah am Theater war, fährt Stölzl bisweilen große Bilder auf. Zwischen beklemmenden Parts in einem zum Folterknast umfunktionierten Hotel, in dem Dr. B (Oliver Masucci) vom Gestapo-Mann Böhm (Albrecht Schuch) gefoltert wird, gibt es die schwelgerischen Bilder der Überfahrt, die aber auch nach und nach beklemmender werden. Die Tatsache, dass Schuch auch den Schachweltmeiser Czentovic spielt, deutet bereits an, das Stölzl und sein Drehbuchautor Eldar Grigorian ihren ganz eigenen Take der Geschichte wagen: "In Eldars Drehbuch wird die Rahmenhandlung, die bei Zweig auf dem Emigrantenschiff spielt, als Ausbruchstraum des Protagonisten interpretiert. Ein Coup", sagt Stölzl.

So kann man dank Stölzl, seines Teams und seinem Cast diese bei vielen vor allem als Schullektüre bekannte Geschichte noch einmal neu entdecken – und ihrer traumartigen Faszination erliegen. Die sich, egal ob gelesen oder als Film gesehen, tatsächlich tief in die Seele eingräbt.

DK

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