Helen Mirren hat noch in jeder Rolle Eindruck hinterlassen. Das gilt selbst für ziemlich vergurkte Filme wie die Actionkomödie Red oder die Filme der Reihe The Fast And The Furious, wo sie die toughe Mutter der Shaw-Geschwister spielt und auch schon einmal ganz lässig einem angeschossenen Jason Statham sagt: "Halt den Mund und sei nicht so ein Baby." Diese toughe Note, vorgetragen in ihrem rauchigen, britischen Zungenschlag, steht ihr immer wieder gut.
So zum Beispiel auch im Polit-Thriller State of Play – Stand der Dinge, wo sie die Chefredakteurin des "Washington Globe" spielt und als Cameron Lyne Lines raushaut wie "Gute Reporter haben keine Freunde, nur Quellen", oder aber "Ich kann sie nicht mehr beschützen, Cal." Sie ist im Film von Kevin Macdonald die unterstützende Autorität, die den von Russel Crowe gespielten Investigativjournalisten so lange unterstützt, bis er gegen die Interessen ihrer Zeitung operiert.
Dass wir Helen Mirren vor allem mit Rollen assoziieren, die nicht nur durch Charakter und Charisma, sondern auch durch eine gewisse Weisheit und Reife glänzen, liegt vor allem daran, dass ihr Durchbruch in TV und Kino erst in einer Altersklasse begann, in der viele Schauspielerinnen eher fürchten, keine spannenden Rollen mehr angeboten zu bekommen. Obwohl sie seit Ende der 60er in ersten Filmrollen auftauchte, 1980 im Kult-Gangster-Film The Long Good Friday (im Deutschen erschreckenderweise Rififi am Karfreitag betitelt) die Gangster-Gattin Victoria Shand gab, neben Harrison Ford in der Romanverfilmung The Mosquito Coast spielte und in Gosford Park als Haushälterin Mr Wilson für einen Oscar als "Beste Nebendarstellerin" nominiert war, erkannte die Kino-Welt ihre Größe erst so richtig, als sie in The Queen die Queen Elizabeth II gab. Zwar äußerte sich das Königshaus nie offiziell, aber gut informierte Quellen im Könighaus wussten zu berichten, dass die damals noch lebende Queen dieses Portrait durchaus schätzte. Bei einer Preisverleihung in England nickte Elizabeths Enkel Prinz William außerdem einmal in Mirrens Richtung und sagte "and granny’s here…" – augenscheinlich meinte auch er, sie sei dem Original recht nahegekommen.
Die junge Helen Mirren, Tochter eines russischen Vaters und einer britischen Mutter, gewann vor allem im Theater die Herzen des Publikums – und das von Misogynie durchtränkte, stelzbock-artige Interesse der sogenannten Kulturpresse. Mit 20 galt sie als elegantes Riesen-Talent in all things related Shakespeare, während sich die Filmwelt schwer tat, ihr ernsthafte Rollen zu geben. Das lag weniger an ihrem Talent als an ihrem Aussehen und ihrem sehr selbstbewussten, lässigen Sex-Appeal.
2007 erzählte Mirren zum Beispiel in einem Interview, wie sie der Regisseur Michael Winner bei einem Casting "wie ein Stück Fleisch" behandelt habe, was sie als "beleidigend und sexistisch" empfunden habe. "Keine Schauspielerin sollte jemals so behandelt werden", sagte sie.
Und dann gab es noch einige unwürdige Szenen in einem heute geradezu bizarren TV-Interview, wo der BBC-Talkshowhost Michael Parkinson ihr allen ernstes eine "schlampenhafte Erotik" attestierte und sie die "Sex Queen" der Shakespeare-Welt nannte. Mirren feuerte mehr als einmal zurück und fragte Parkinson an einer Stelle: "Ernsthafte Schauspielerinnen können keinen großen Busen haben, oder was?"
In ihrem Heimatland wird Helen Mirren vor allem geliebt, weil sie auch immer wieder urbritisch wirkende Rollen verkörpert. Von 1991 bis 2006 spielte sie im TV-Krimi-Drama Prime Suspect die DCI Jane Tennison, die sich als eine der ersten Kommissarinnen der Londoner Polizei behaupten muss. In Brighton Rock, nach dem Roman von Graham Greene, wiederum spielt sie die standhafte Chefin der jungen Kellnerin Rose, die eine Liebschaft mit dem Mörder und Gangster Pinkie Browne beginnt.
Wenige Monate vor ihrem 80. Geburtstag sprach Dame Hellen Mirren in einer britischen Frauenzeitung über das Älterwerden und lieferte uns damit das perfekte Finale für diese Gratulation. Sie sagte die schönen Sätze: "Ich werde nicht alt, ich werde erwachsen. Ich lerne mehr über das Leben und wie man es lebt. Ich fühle mich so alt, wie ich bin. Mit all meiner Neugier, meinem Wissen und meinen Ängsten, die ich gegenüber dem Leben habe."
DK