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Zum 40. Todestag Luis Buñuel: Eine interessante Verwirrung

Am 29. Juli jährte sich der Todestag von Luis Buñuel zum 40. Mal. Seine Filme faszinieren, irritieren, provozieren und verwirren uns bis heute.

01. August 2023

Es ist gar nicht so leicht, aus dem hölzernen Roman von Joseph Kessel über die 2Belle de Jour – Schöne des Tages" einen sinnlichen, herausfordernden, dezent abgründigen Film zu machen. Aber als der 1900 in Spanien geborene und später in Mexiko lebende Luis Buñuel 1967 seine sehr eigene Verfilmung mit Catherine Deneuve in die Kinos brachte, war man sich unter Kritiker:innen schon längst einig, dass Buñuel einer der größten Regisseure seiner Zeit ist. In einem Interview zur Premiere verriet er damals, wie er die Adaption angegangen sei: "Es war schwer genug aus der Haupthandlung des Buches einen modernen Film zu machen. Die Story ist ja fast wie eine Soap Opera. Wir haben deshalb Severine zur zentralen Figur des Films gemacht und die Geschichte durch kleine Interpolationen aufgebrochen – Ideen und Bilder, die entweder von Severine oder von mir erdacht sein könnten. So entsteht eine gewisse Verwirrung, die im Film auftritt, was interessant ist."

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Im gleichen Interview sagte Buñuel übrigens, er glaube, Belle de Jour sei sein letzter Film. "Ich arbeite wirklich nicht gerne – bzw. ich arbeite hart daran, Ruhe und Entspannung zu erreichen. Ich bin in der Lage, monatelang nichts zu tun und möchte meine letzten Jahre eigentlich gerne so verbringen." Es kam bekanntlich anders. Belle de Jour wurde sein bis dato erfolgreichster Film und Buñuel ließ noch einige seiner stärksten folgen: Die Milchstraße (1969), Der diskrete Charme der Bourgeoisie (1972) oder Dieses obskure Objekt der Begierde (1977). Aus diesem Interview bleibt aber vor allem diese eine Formulierung im Sinn, die sein Schaffen besonders gut trifft: "eine gewisse Verwirrung", die einen Film interessant mache.

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Diese von ihm explizit für Belle de Jour gewählte Beschreibung trifft Luis Buñuels Arbeit und seine Ausdrucksform besser als ein kunstgeschichtlich aufgeladenes Wort wie "Surrealismus". Klar, er arbeitete in seiner Frühphase mit Salvador Dalí und der Pariser Surrealisten-Gruppe um André Breton und Meret Oppenheim zusammen, aber schon Buñuels mit Dalí geschriebenes Kurzfilm-Regiedebüt Ein andalusischer Hund legte es darauf an, dass Publikum auf aggressive Weise zu verwirren. Das zeigt vielleicht am deutlichsten DIE Szene mit dem Rasiermesser und dem Auge: Sie ist weit mehr als Sadismus, Splatter oder Provokation – rein ästhetisch betrachtet ist sie wunderschön. Und gerade dieser Kontrast lässt einen konsterniert und verwirrt zurück.

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Wenn man sich einige alte Interviews mit Luis Buñuel anschaut oder durchliest, findet man ähnliche Umschreibungen aus seiner eigener Filmsozialisation. Schon seine erste Erfahrung als Zuschauer im Kindesalter ließ ihn "extrem überrascht" und vielleicht auch ein wenig verwirrt zurück, weil er in diesem Cartoon Dinge sah, die irgendwie nicht zusammenpassten, aber gerade deshalb einen starken Eindruck machten, der ihn niemals so richtig los ließ.

Man könnte seitenweise über Luis Buñuels Leben und Wirken schreiben, aber all diese Worte kämen nie an das Gefühl heran, dass ein Film wie Der Würgeengel oder Dieses obskure Objekt der Begierde hinterlassen – diese Filme wirken ungefähr so wie das Bild aus dem letztgenannten Film, das über diesem Artikel gezeigt wird. Deshalb ist vielleicht genau das die beste Ehrung seines 40. Todestages: Lassen Sie sich noch einmal interessant und intellektuell herausfordernd verwirren – von einem Regisseur, der niemals einfache Antworten und Geschichten liefern wollte.

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