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Warum Steven Spielberg der Größte ist

Aus unserer Reihe "Lieblingsregisseur*innen". Ein Spielberg-Fan über das Schaffen seines Helden am Beispiel von Die unheimliche Begegnung der 3. Art

13. April 2023

Die unheimliche Begegnung der 3. Art ist auch eine unheimliche Begegnung mit der Welt der Erwachsenen – betrachtet aus den Augen eines Kindes. Zumindest ist dies eine mögliche Sicht auf Steven Spielbergs Science-Fiction-Klassiker aus dem Jahr 1977. Nicht nur die Erscheinung der Außerirdischen selbst spricht dafür, obwohl sie erst spät im Film zu sehen sind, auch die verspielte Form der Kommunikation mit der Menschheit, die die Aliens bevorzugen, bleibt nicht das einzige Indiz. Es ist der kleine Hosenscheißer Barry, der auf besondere Weise angezogen wird vom Auftauchen der UFOs. Anders als die Wissenschaftler, Militärs und Politiker, das wird schnell klar, leitet den Knirps nicht die Suche nach den passenden Fragen für bereits bestehende Antworten. Nein, in Barry wird noch tatsächliche Neugier geweckt.

Landung in Sicht: Spielbergs UFOs © Studiocanal

Landung in Sicht: Spielbergs UFOs © Studiocanal

Kaum zufällig fällt dem kindischsten Typ des erwachsenen Figuren-Ensembles, dem von Richard Dreyfuss genial verkörperten Roy Neary, schließlich die Ehre zu, zum Schlüssel für die Kooperation mit den Besuchern aus einer anderen Welt zu werden. Dabei bleibt seine Rolle ambivalent. Als Familienvater ist er im Streit mit der Ehefrau durchaus in der Lage, die eigenen Kids zu traumatisieren. Doch wenn das Kind in ihm selbst freien Lauf bekommt, versprüht er einen Esprit, von dem die anderen in die Geschichte Verstrickten höchstens noch träumen können. Einzig die mütterliche Jillian steht an seiner Seite. Sie wird ja auch von denselben Visionen eines mysteriösen Berges verfolgt wie Roy und entwickelt auf der Suche nach ihrem verlorenen Sohn Barry einen ähnlich obsessiven Drive. Die Liebesbeziehung zwischen den beiden bleibt allerdings eine leise Andeutung. Das ist genau so typisch für Spielberg, der kein Meister der fesselnden Liebesszenen ist, wie andererseits die vielen wunderbaren kleinen Einfälle. Etwa Barrys Spielzeug, das durch die Energie der fliegenden Untertassen zum Leben erweckt wird.

Barry und Jillian: Spielbergs Held*innen © Studiocanal

Barry und Jillian: Spielbergs Held*innen © Studiocanal

Oder die urkomische Szene, in der Roy den Maschendrahtzaun der Nachbarn aus dem Boden reißt und der Sohn ihn fragt, ob er auch Erde durchs Fenster in sein Zimmer schaufeln dürfe. Das amerikanische Idyll wird bei Spielberg stets in Frage gestellt – womöglich sogar in der stillen Absicht, es zu retten, indem er die spießigen Regeln außer Kraft setzt. Im Übrigen, falls man es betonen muss, kommt auch Spielbergs Leidenschaft für das Kino selbst deutlich zum Vorschein, da er den verehrten Kollegen François Truffaut hier als Schauspieler einsetzt. Jenen Truffaut, dessen kindlich-neugierige Frage "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?" bis heute nachklingt. Womit der Nouvelle Vague-Vertreter durchaus als Bruder im Geiste des immer wieder Fragen aufwerfenden Spielbergs bezeichnet werden darf, und ihm dabei verwandter ist als dem hochkulturell ambitionierten Kunstkino eines Stanley Kubrick.

Man kann manches lernen über Steven Spielberg, wenn man sich seinen jüngsten autobiografischen Film Die Fabelmans anschaut. Doch stecken auch alle vorherigen Spielfilme bereits voller Andeutungen und sachdienlicher Hinweise auf seine ursprünglichen Motive. Eine Verteidigung der Kindheit mit allen Mitteln Hollywoods. Weinger pathetisch lässt sich kaum ausdrücken, was der 1946 in Cincinnati, Ohio geborene Filmemacher mit seinem Gesamtwerk seit dem coolen Debüt Duell aus dem Jahr 1971 geschaffen hat. Dazu nutzte er lange vor allem eine derart eigensinnige Vermischung von Elementen des Horror-, Fantasy-, Science-Fiction-, und actiongeladenen Abenteuer-Films, dass am ehesten die vom konventionellen Standpunkt der Erwachsenenwelt abweichende Perspektive der Dreh- und Angelpunkt der Spielbergschen Schöpfungen blieb. Ihr Merkmal und Wiedererkennungswert.

François Truffaut: Spielbergs Kollege

François Truffaut: Spielbergs Kollege

Nach dieser Logik enthält der Mega-Hit E.T. – Der Außerirdische die volle Ladung Spielberg. Mit der Verschmelzung der Persönlichkeiten des jungen Elliott und des gestrandeten Außerirdischen, mit dem er sich anfreundet, gelang dem Regisseur 1982 der Clou. Doch in seiner Indiana Jones-Reihe oder in den genialen ersten beiden Teilen des Jurassic Park-Franchise, in Der weiße Hai, Die Farbe Lila, Schindler’s Liste, Catch Me If You Can oder zuletzt im Remake von West Side Story erweist er sich als Künstler, der ständig über sich hinaus wächst, wenn zum Beispiel Social Drama, Musical und Kriegsfilm zu seinem Repertoire hinzukommen oder neue Errungenschaften darin auftauchen – wie im Falle West Side Story ein endlich diverser Cast. Neben all dem, was ihn seit jeher auszeichnet (und dem er treu bleibt wie der Zusammenarbeit mit Komponist John Williams) und wofür man Spielberg so liebt. Er ist eben selbst ein Kind geblieben. Der erfolgreichste kleine Bub auf seinem Gebiet und dadurch so unheimlich groß. Mit anderen Worten: einfach der Größte.

WF

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