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Hark Bohm: Pionier bis zum Schluss

Einer der Initiatoren des Neuen Deutschen Films und Drehbuchautor von Fatih Akins Tschick ist im Alter von 86 Jahren verstorben.

17. November 2025

Hark Bohm hat zahlreiche Filme gedreht, in denen das Leben von Kindern und Jugendlichen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene erzählt wird. Im hohen Alter erlebte Bohm noch die Verfilmung der eigenen Kindheitsgeschichte. Fatih Akins Amrum basiert auf den Erinnerungen Bohms an die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs, wie er sie auf der nordfriesischen Insel erlebte.

In die deutsche Filmgeschichte der Nachkriegszeit geht der gelernte Jurist als Mitbegründer des Filmverlags der Autoren und als ein Protagonist des Neuen Deutschen Films ein, der lieber die Massen erreichen wollte als sich im eigenen Avantgardismus zu sonnen.

Bohm machte sich einen Namen als linksliberaler und humanistisch gesinnter Autorenfilmer, zu Zeiten, als diese Attribute noch mit radikalen künstlerischen Ausdrucksformen einhergehen konnten.

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Seine bekannten Jugendfilme Nordsee ist Mordsee und Moritz, lieber Moritz, in denen zwei seiner sechs Adoptiv- beziehungsweise Pflegekinder die Hauptrollen spielen, zeugen von einem tiefen Verständnis für Kinder aus und in schwierigen Verhältnissen – dabei haben sie bei allem harten Realismus auch etwas Verträumtes an sich, folgen dem Glauben an die Utopie des Ausbruchs aus familiären und gesellschaftlichen Zwängen sowie der Hoffnung auf die Überwindung des anerzogenen inneren Schweinhunds.

Durch seinen Bruder Marquard Bohm, den nicht wenige als einen deutschen Jean-Paul Belmondo bezeichneten, kam er zum Film. Zunächst war Hark Bohm als Schauspieler aktiv, Rainer Werner Fassbinder besetzte ihn in diversen Produktionen, meist als strengen Biedermann – so ist er in Angst essen Seele auf oder Die dritte Generation zu sehen.

Hark Bohms eigene Arbeiten zeichnen sich durch eine Warmherzigkeit und Sanftheit aus, die am Saum der Beziehung zwischen den Figuren und den Umständen verläuft. Das Leben ist hart, aber in den Menschen steckt ein weicher Kern, den es hervorzuholen und zu bewahren gilt, selbst wenn es zunächst nur auf der Leinwand passiert. Im besten Fall, so könnte man sagen, nimmt sich das Publikum aus den Unterhaltungsfilmen eine unterschwellige Botschaft mit.

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Nordsee ist Mordsee samt dem Udo Lindenberg-Soundtrack und den Bruce Lee-Momenten ist ein Glanzstück des aufklärerischen und unangepassten Kinos, das in seinem geradezu staksigen Balanceakt zwischen Künstlichkeit und Authentizität so wahrhaftig von jugendlichen Sorgen und Nöten, von patriarchaler Gewalt und dem Gefühl echter Freundschaft handelt, dass man als Zuschauer selbst ein Floß bauen möchte. Auch noch 50 Jahre, nachdem der Film 1976 auf der Duisburger Filmwoche Premiere feierte.

Es war Hark Bohm vergönnt, später mit Fatih Akin auf jemanden zu treffen, der seit jeher zu seinen Bewunderern zählte – und Kraft des eigenen kommerziellen Erfolgs zu seinem Förderer wurde. Gemeinsam gelang ihnen mit der Verfilmung von Wolfgang Herrndorfs Tschick ein verdienter Erfolg. Bohm steuerte das Drehbuch bei für die Geschichte, die an Nordsee ist Mordsee erinnert, aber ein weitaus größeres Publikum erreichte. Akins Regie wiederum ist eine Hommage an Bohms puristischen Stil, der stets auch eine Spur Romantik enthielt.

Es ist eine Seltenheit, dass pädagogisch wertvolle Filme künstlerisch diesem Prädikat entsprechen. Werke wie Bohms Yasemin würde man sich heute im Schulunterricht wünschen.

Die schönsten Worte fand schließlich Rock 'n' Roll-Romantiker Udo Lindenberg für den alten Weggefährten, der am 14. November 2025 in Hamburg verstorben ist: "Du warst so ein genialer Regisseur und begnadeter Schauspieler. Und immer schon ein Pionier. Lieber Hark, du bist nicht von uns, sondern nur vor uns gegangen - und irgendwann folgen wir dir nach. Danke für so vieles, für immer! Dein Udo"

WF

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