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Wiederentdeckt: Ornella Muti

Blicke werfen, Blicke fangen. Diese Kunst der italienischen Schauspielerin lässt sich nicht nur in Eine Liebe von Swann oder Flash Gordon beobachten. Ihre Karriere bietet zahlreiche Highlights.

Persönliches/Was macht eigentlich …?

25. September 2020

Volker Schlöndorff hat sich den Ruf erworben, ein Spezialist für Literaturverfilmungen zu sein – und das liegt auch daran, dass er die mögliche Leinwandfassung oft bereits bei der Lektüre im Kopf hatte. Über seine Adaption des Kapitels Eine Liebe von Swann aus Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" im Jahr 1984 sagte er: "Ich sah die Bilder vor mir: ein Mann irrt nachts über die Boulevards, von Lokal zu Lokal, in fieberhaftem Rausch, auf der Suche nach einer Frau, die sich ihm immer wieder entzieht. Er quält sie mit seiner Eifersucht und genießt seine eigenen Leiden. Odette und Paris: eine Frau, überlebensgroß, und eine Stadt, Inbegriff aller Städte sowie der Mann, der beide zu besitzen sucht, das ist für mich Eine Liebe von Swann."

Ob in Paris oder in Rom: Muti ist die Beste © Studiocanal

Ob in Paris oder in Rom: Muti ist die Beste © Studiocanal

Es ist nicht bekannt, ob Schlöndorff als Darstellerin dieser überlebensgroßen Frau – gemeint ist die Figur der halbseidenen Odette de Crécy – gleich Ornella Muti im Kopf hatte. Aber wenn es in den 1980er Jahren um die Besetzung einer nach gewöhnlichen Maßstäben besonders schönen und begehrenswerten Frau ging, die zudem über eine gewisse Verschlagenheit verfügen sollte, dürfte Ornella Muti immer mit in der Verlosung gewesen sein. In Flash Gordon spielte sie zu Anfang des besagten Jahrzehnts einen Charakter mit dem passenden Namen: Prinzessin Aura. Letztlich strahlt die Muti bis heute stets etwas Aristokratisches aus, eine Unnahbarkeit, die sich jedoch keiner Annäherung ans gewöhnliche Volk zu schade ist, nur um im letzten Moment wieder einen Schritt zurück zu treten in den Schatten der Künstlichkeit. Eine Haltung, die sich ein Star mit dem zwiespältigen Attribut, ein Sexsymbol zu sein, vermutlich zulegen muss, um nicht zum reinen Image zu gerinnen.

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So schien die wundervoll überkandidelte Kostüm- und Kulissenwelt von Flash Gordon wie geschaffen für den Auftritt Mutis als Tochter des schrecklichen Imperator Ming. Max von Sydow tut es Ornella Muti hier gleich: Er spielt das Herrscher-Klischee ohne mit der Wimper zu zucken, zugleich bricht er wie das komplette Ensemble unter der Regie von Mike Hodges mit allen ernsthaften Genre-Konventionen. Ornella Muti war da 25 Jahre alt, konnte aber schon auf eine zehnjährige Laufbahn als Filmschauspielerin zurückschauen. 1970 debütierte sie in Recht und Leidenschaft von Damiano Damiani, 1971 macht sie als Teenager im Erotikfilm Ein Sommer voller Zärtlichkeit auf sich aufmerksam, den der Filmdienst wie folgt abkanzelte: "Gekünstelt in der Machart, verlogen im Gedanklichen." Schauen Sie lieber Flash Gordon oder Eine Liebe von Swann, wenn Sie Ornella Muti wiederentdecken möchten, soll das wohl heißen.

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Es gibt natürlich noch andere Möglichkeiten. Weitere Engagements in den 1970ern führten Ornella Muti nämlich mit prominenten Regisseuren wie Luis Buñuel und Marco Ferreri zusammen, in deren Eleonore (1975) und Die letzte Frau (1976) sie mitwirkte. Unvergesslich dürfte Muti vielen an der Seite von Adriano Celentano geworden sein – etwa in Der gezähmte Widerspenstige (1980). Und gibt es eine schönere testosterongeschwängerte Liebeserklärung an eine Frau, bei er sich der Kerl zum Trottel macht, als Gib dem Affen Zucker (1981)? An William Wylers Roman Holiday – Ein Herz und eine Krone von 1953 angelehnt, spielt Muti auch hier die Prinzessin, und Celentano gibt den verliebten Busfahrer, der ihr die ewige Stadt zeigt – in der Muti tatsächlich geboren wurde. Während dieses turbulenten Klassenkampfs um ihre Gunst schaut Barnaba Prinzessin Cristina auch mal beim Fahren in die Augen statt auf die Straße zu gucken, weil sich darin nun mal alles Wichtige spiegele. Und als Prinzessin Cristina die Augen schließt, baut er sofort einen Unfall. Die Blicke dieser Frau haben mehr Kraft, mag jene Szene bedeuten, als sämtliche Blicke, die andere auf sie richten – und doch kann sie nicht anders, als alle Blicke auf sich zu ziehen. Das passt bis heute perfekt zu Ornella Muti – und die Suche nach der verlorenen Zeit kann man bestens mit vielen Filmen verbringen, in denen sie genau das unter Beweis stellt.

WF

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