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Top 5: Klassiker aus dem Filmverlag der Autoren

In dieser Woche jährt sich die Gründung des Filmverlags der Autoren zum 50. Mal – ein historischer Vorgang, bei dem 13 Filmemacher beschlossen, Produktion, Rechteverwaltung und Vertrieb eigener Filme gemeinsam zu organisieren. Wir blicken auf fünf Filme dieser Ära, die man unbedingt kennen sollte und stellen sie mit einer Stimme aus ihrer Zeit vor.

Filmgeschichten/Top Listen 20. April 2021

Es war ein für die deutsche Filmbranche beispielloser Vorgang: Am 18. April 1971 unterzeichneten 13 Filmemacher in München den Gesellschaftervertrag zur Gründung des Filmverlags der Autoren. Die Unterzeichner waren Hark Bohm, Michael Fengler, Peter Lilienthal, Hans Noever, Pete Ariel, Uwe Brandner, Veith von Fürstenberg, Florian Furtwängler, Thomas Schamoni, Laurens Straub, Wim Wenders, Hans W. Geissendörfer und Volker Vogeler. Nach dem Vorbild des Frankfurter Verlags der Autoren wollten sie Produktion, Rechteverwaltung und Vertrieb eigener Filme gemeinsam organisieren. Geschäftsführer wurde Michael Fengler. Was als Befreiungsgeste begann, wurde später zu einem lebhaften Beweis, dass kreative Filmemacher*innen mit bisweilen großen Egos im Business-Alltag mit Problemen konfrontiert werden, mit denen sie sich eigentlich nicht rumschlagen wollen. Bevor wir morgen tiefer in die Geschichte des Filmverlags der Autoren bis zu seiner Übernahme durch die Kinowelt GmbH im Jahr 1999 eingehen, kommen hier fünf Filme aus unserem Programm, die im Filmverlag der Autoren erschienen und die damals Akzente gesetzt haben – vorgestellt mit einem Statement oder einer Kritik aus dem Erscheinungsjahr.

1. Messer im Kopf von Reinhard Hauff (1978)

"Nach einem sprachlich ungemein präzisen und empfindsamen, klug konstruierten Drehbuch von Peter Schneider zeichnet Reinhard Hauff Hoffmanns mühsamen Weg zurück ins Bewußtsein von sich und der Gesellschaft nach. Noch bewußtlos gerät er als Spielmaterial zwischen die eskalierenden Fronten von Gegengewalt und Gewalt, Opfer des Polizeiterrors für die einen, Terrorist, der mit einem Messer auf einen Beamten eingestochen haben soll, für die offizielle Öffentlichkeit. (...) Das Erstaunlichste an Hauffs Film sind die fast schon lässige Schlüssigkeit und der lakonische, mit sehr viel Humor getränkte Sarkasmus."
Wolfgang Limmer, Der Spiegel, 06.11.1978

➞ Lesen Sie hier unseren Magazin-Artikel zum Film

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2. Der Schneider von Ulm von Edgar Reitz (1978)

"Tilo Prückner ist in seiner ersten Hauptrolle eine geradezu ideale Besetzung des Berblinger. Voll von sprödem Charme und jugendhaftem Idealismus, doch auch von fanatischer Verbissenheit in der Verfolgung seiner Ideen, verleiht er dem Berblinger ein aktuelles Profil. Neben ihm ist Vadim Glowna in der Rolle des aufrührerischen Jakobiners Caspar Fesslen zu sehen, eine Charakterstudie von bestem Schrot und Korn. Auch die anderen Schauspieler sind durchweg überzeugend und unverbraucht. Man sieht: Reitz dreht keine Regiefilme, sondern Schauspielerfilme. Wer sich ein bißchen Muße zur reizvollen Besinnung nimmt, kommt hier auf seine Kosten."
Kölnische Rundschau

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3. Der Kandidat von Stefan Aust, Alexander von Eschwege, Alexander Kluge und Volker Schlöndorff (1980)

"Strauß wird unterschätzt – in seinen Fähigkeiten, in seiner Gefährlichkeit. Das Bild des Kandidaten setzt sich zusammen aus der einen Fehlkonstruktion, die die Hofberichterstatter herstellen und aus einer zweiten, die von vehementen Strauß-Gegnern stammt. Beide Bildwelten lullen ein.
Mein Interesse an diesem Politiker ist in der Arbeit zu diesem Film nicht erschöpft. Ich habe mehrfach vorgeschlagen, zwei oder mehr Filme daraus zu machen. Als Darsteller seiner politischen Funktion steht Strauß fest in seinen Schuhen, und es besteht eine Einheit zwischen seinen Gesten und dem, was er meint. Deshalb langweile ich mich auch nicht, wenn ich ihm länger zuhöre. Ich halte ihn für einen Sammelpunkt für Identifikationen, die ich selber nicht brauchte. Niemand wird annehmen, dass ich Strauß wähle. Ich meine aber, dass Strauß als Politiker sehr viel mehr mit unserer Gesellschaft und Zeit zu tun hat als die meisten anderen Politiker, die ich kenne. Eine Ausnahme ist Herbert Wehner, der aber als Politiker in eine andere Periode gehört. Gemessen an Wehner ist Strauß ‚moderner’, das heißt ‚zerrissener’. Ich habe aber jetzt nicht politisch gesprochen."

Regisseur Alexander Kluge

➞ Lesen Sie hier unseren Magazin-Artikel zum Film

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4. Die bleierne Zeit von Margarethe von Trotta (1981)

"Nachdem ich das Drehbuch zum ersten Mal gelesen hatte, habe ich sofort zugesagt. Später, bei der Arbeit vor der Kamera, kamen mir Bedenken, und ich war total blockiert. Mir war plötzlich bewusst, dass ich eine Frau spiele, die eine unverwechselbare Identität hat, die viele Leute gekannt und gesprochen haben, der ich aber nie begegnet bin. Jemand Anonymes, irgendeine politische Gefangene, hätte mein Phantasie stärker mobilisiert. (...) Anfangs bin ich mit einem forschen Ton in die Rolle eingestiegen, weil ich glaubte, dass ich Aggression herstellen müsste. Ich hatte Angst davor, nackt zu sein. Margarethe hat mir dann sehr geholfen, diese Angst abzubauen, und mich davon überzeugt, dass diese Überinterpretation völlig unnötig ist. (...) Es war keine leichte Aufgabe. Die Auswirkungen von Isolationshaft und Hungerstreik – punktuell auf verschiedene Drehtage verteilt – vor der Kamera nachzuvollziehen, dazu fehlten mir die nötigen Erfahrungen oder Beobachtungen. Um einen ungefähren Eindruck solcher Extremzustände vermitteln zu können, war ich bereit, zwei oder drei Tage nicht zu essen und zu schlafen. Aber abgesehen davon, dass unsere Produktionsbedingungen dieses Experiment nicht zulassen, war das Risiko doch zu groß, dass mir dadurch die Kraft und Konzentration für die wichtigen Dialoge verloren gehen würden. Meine Arbeit für diese Szenen empfinde ich als schauspielerischen Balanceakt."
Hauptdarstellerin Barbara Sukowa

➞ Lesen Sie hier unser Interview mit Margarethe von Trotta

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5. Celéste von Percy Adlon (1981)

"Der Film ist so delikat schattiert und mit unterirdischer Spannung versehen wie Prousts Werk selbst. Das Tempo, ruhig und abgemessen wie das Ticken der Uhr, korrespondiert mit dem Rhythmus der merkwürdigen Rituale von Prousts Einsiedlerleben. So poetisch die Kamera ist, so sparsam sind die rein äußerlichen dramatischen Zutaten. Und der Film ist durchsetzt mit aufschlussreichen Einsichten in Prousts Wesen. Am schärfsten vielleicht die Szene, wenn er eines nachts in die Wohnung zurückkehrt und Céleste berichtet, wie er durch ein Guckloch der Peitschung eines Mannes zugesehen habe, bis dieser blutete, 'nur so konnte er seine grässliche Lust empfinden'. Wie, fragt sie entsetzt, konnte er so eine grässliche Sache mitansehen? 'Weil ich keine Phantasie habe', antwortet er, 'ich muß mir alles mühsam zusammensuchen.'"
Thomas Albright, San Francisco Chronicle, 1981

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